Das Teehaus im Grünen
Vicky!«
Aber Vicky setzte eine sehr wichtige und überlegene Miene auf. »Das habe ich alles schon bedacht. Ich will nichts verschwenden, will aber auch nicht zu kurz kommen. Warte nur ab, dann wirst du sehen, wie gescheit ich bin.«
Ein klarer, sonniger Tag brach an. Len kam in aller Frühe und hängte sein Schild auf. Er war sichtbar aufgeregt, aber bemüht, sich das nicht merken zu lassen. Er blickte deshalb mißmutig zum Himmel auf und sagte, solch ein Wetter sei keinesfalls von Dauer. Wenn ein Platzregen käme, wären die Leute tropfnaß, noch ehe sie im Haus wären. Aber sein Schild sah großartig aus; er mußte es immer wieder voller Stolz und Liebe anschauen. Dann nahm er sich zusammen und meinte, es sei schade, daß die Autofahrer so schnell führen; keiner würde die Zeit haben, auch nur einen Blick darauf zu werfen.
Vicky konnte seinen Pessimismus nicht teilen. »Len, dieses Mal dürfen Sie nicht recht haben. Ich bin schon um sechs Uhr aufgestanden und habe einen schönen Vorrat an Kuchen und Törtchen gebacken. Und jetzt schneide ich die Sandwiches.«
»Schon recht. Aber die Leute hier wollen so komisches Zeug — Sahnetorten und solchen Krimskrams, was ihnen dann im Magen liegt.«
»Na, wir werden ihnen erklären, daß wir uns auf selbstgebackene Sachen einstellen und daß die bestimmt gesünder sind.«
»Sie kennen das Publikum nicht. Aber ich kenne es. Die Leute werden schimpfen und wieder davonlaufen«, knurrte er. Dann ging er seiner Wege. Doch ehe er in seinen Lieferwagen stieg, wandte er sich noch ein paarmal um und blickte nach dem goldenen Teekessel.
7
Zuerst schienen sich Lens düstere Voraussagen zu bewahrheiten. Ab zehn Uhr schimmerte das Schild verheißungsvoll in der Sonne, aber in der nächsten Stunde geschah nichts. Vicky blickte unruhig auf Lucy und redete laut und viel und betont fröhlich; Lucy antwortete wenig, aber sie blieb gelassen und freundlich. Dann kam ein aufregender Augenblick: ein großer Wagen verlangsamte seine Fahrt und hielt. Eine Gruppe von fünf Leuten kam die Auffahrt herauf.
Sie hörten eine angenehme Stimme: »Ist das ein hübsches altes Haus! Schau, Nora, da stehen Tische unter den herrlichen Bäumen! Hier wollen wir uns setzen.«
Ihre ersten Gäste waren die nettesten Menschen, die man sich denken konnte.
»Das ist ja hier ein himmlisches Fleckchen Erde! Und wie gut solche einfachen, selbstgebackenen Sachen schmecken! Davon müssen wir unseren Freunden erzählen.«
»Sind Sie wegen des Inserats in der Zeitung von Homesward gekommen?«
»Nein. Wegen des Schilds. Das ist überwältigend.«
Vicky gab eine witzige Schilderung von dem widerstrebenden Kolonialwarenhändler, der auch noch ein Maler war.
»Oh, den müssen wir selber sehen. Hinter der Straßenbiegung, sagten Sie? Da gehen wir hin und kaufen Zigaretten... Vielen Dank für den köstlichen Tee! Wir kommen bestimmt wieder.«
»Vergessen Sie bitte nicht, Len zu erzählen, daß sein Schild Sie angelockt hat. Sie sind nämlich unsere ersten Gäste!« rief Vicky ihnen nach.
»Die hätten wirklich nicht netter sein können«, bemerkte Lucy, als sie das Geschirr spülte. »Wenn alle Gäste so nett sind, wird es ein Hauptspaß.«
Aber fürs erste kam niemand weiter, und Vicky blickte besorgt auf die zwei Dutzend Pasteten in der Wärmeröhre. »Lieber Himmel, hoffentlich kommt bald jemand, der einen Lunch haben möchte! Wieviel kannst du essen, Lucy?«
Lucy fühlte schon eine Magenverstimmung bei dem bloßen Gedanken an die Pasteten. Aber schließlich kamen drei junge Männer und bestellten sechs Stück. Sie behandelten Lucy mit großem Respekt, während sie mit dem hübschen Mädchen, das sie bediente, einen harmlosen Flirt anfingen. »Das ist hier eine feine Sache«, sagten sie, als sie aufstanden. »Sie werden uns noch öfter sehen.«
»Sechs Pasteten sind wir los, Gott sei Dank!« atmete Vicky erleichtert auf. »Aber achtzehn haben wir noch.«
Es war ein bedrückender Anblick, aber als der Abend kam, war doch nichts mehr übrig. Das hatten sie jedoch nicht »legitimen Gästen« zu verdanken, wie Lucy sie nannte, sondern ihren Freunden, die sich für den ersten Tag zu einem Treffen hier verabredet hatten. Im Laufe des Nachmittags hatten sich außerdem noch ein paar richtige Gäste eingefunden. Vier Personen waren zu den Wasserfällen hinaufgestiegen, und Wayne von der Tankstelle hatte sie dann hierhergeschickt. Gleich darauf kam eine andere Gesellschaft und betrachtete das
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