Das Testament der Götter
empfing Paser drei Tage später.
Er nahm sich die Zeit, die Schriftstücke des Vorgangs genau zu prüfen.
»Eure Arbeit ist ganz und gar bemerkenswert, sowohl vom Kern als auch von der Form her.«
»Da dieser Fall außerhalb meiner Gerichtsbarkeit steht, überlasse ich es Eurer Sorge, die Sache weiterzuverfolgen. Sofern Ihr mein Einschreiten für nötig befindet, bin ich bereit, eine Verhandlung einzuberufen.«
»Wie lautet Eure innerste Überzeugung?«
»Der Tatbestand eines Kornschwarzhandels ist bewiesen. Denes scheint keinen Anteil daran zu haben.«
»Und der Vorsteher der Ordnungskräfte?«
»Zweifellos ist er davon unterrichtet, doch in welchem Ausmaß?«
»Die Prinzessin Hattusa?«
»Sie hat sich geweigert, mir die geringste Erklärung zu liefern.«
»Das ist äußerst mißlich.«
»Man kann ihr Siegel nicht außer acht lassen.«
»Gewiß, aber hat sie es auch aufgedrückt?«
»Sie selbst. Es handelt sich dabei um ihr persönliches Petschaft, das sie als Ring trägt. Wie alle Großen des Reiches trennt sie sich niemals davon.«
»Wir wagen uns auf gefährliches Gebiet vor. Hattusa ist in Theben nicht sehr beliebt; sie ist zu hochmütig, zu spöttisch, zu herrisch. Selbst wenn er die allgemeine Ansicht teilt, ist PHARAO indes genötigt, sie zu verteidigen.«
»Für das Volk bestimmte Nahrung zu stehlen ist ein ernstes Vergehen.«
»Das gestehe ich zu, doch ich möchte ein öffentliches Gerichtsverfahren vermeiden, das Ramses schaden könnte. Euren eigenen Bemerkungen zufolge ist die Voruntersuchung noch nicht abgeschlossen.« Pasers Gesicht verschloß sich. »Seid nicht besorgt, werter Standesbruder; in meiner Eigenschaft als Oberster Richter von Theben habe ich nicht die Absicht, Euren Vorgang inmitten eines Stapels verwahrter Schriften zu vergessen. Ich lege einzig und allein Wert darauf, die Anklage zu untermauern, da der Kläger das Land selbst sein wird.«
»Habt Dank für diese Klarstellung. Was die öffentliche Verhandlung angeht …«
»Wäre sie vorzuziehen, ich weiß; doch wollt Ihr zuvorderst die Wahrheit oder den Kopf der Prinzessin Hattusa?«
»Ich hege keine besondere Feindseligkeit gegen sie.«
»Ich werde versuchen, sie zu einer Aussprache zu überreden, und ihr, falls nötig, eine amtliche Vorladung zustellen. Lassen wir sie doch Herrin ihres Geschicks sein, nicht wahr? Falls sie schuldig ist, wird sie sühnen.«
Der hohe Gerichtsbeamte wirkte aufrichtig. »Ist Euch meine Beihilfe unerläßlich?«
»Im Augenblick nicht, zumal Ihr dringend nach Memphis zurückgerufen wurdet.«
»Mein Gerichtsschreiber?«
»Der Älteste der Vorhalle.«
32. Kapitel
Nenophars Zorn wollte nicht verrauchen. Wie hatte ihr Gatte sich nur auf solch törichte Weise betragen können? Wie gewöhnlich schätzte er die Leute falsch ein und hatte geglaubt, Bel-ter-an würde sich ohne Gegenwehr beugen. Das Ergebnis war fürchterlich: eine Gerichtsverhandlung in Aussicht, ein Frachtschiff beschlagnahmt, der Verdacht auf Diebstahl und der hämische Sieg dieses jungen Krokodils. »Deine Leistung ist beachtlich.« Denes bewahrte die Fassung. »Nimm noch etwas gebratene Gans, sie ist köstlich.«
»Du bringst uns in Schande und Not.«
»Beruhige dich, das Schicksal wird sich wenden.«
»Das Schicksal sicher, aber deine Beschränktheit nicht!«
»Ein Schiff ein paar Tage lang festzuhalten, was soll das schon! Die Fracht ist umgeladen worden und wird bald in Theben eintreffen.«
»Und Bel-ter-an?«
»Er wird keine Klage erheben. Wir haben eine Verständigungsgrundlage gefunden. Kein Krieg mehr gegeneinander, sondern eine Zusammenarbeit zum Besten unserer jeweiligen Belange. Er ist nicht Manns genug, unseren Platz einzunehmen; die Lehre war ihm nützlich. Wir werden sogar einen Teil seines Vorrats befördern, zu angemessenem Preis.«
»Und die Anzeige wegen Diebstahls?«
»Nicht zulässig. Schriftstücke und Zeugen werden meine Unschuld beweisen. Obendrein habe ich meine Hand tatsächlich nicht im Spiel. Hattusa hat mich überlistet.«
»Wie steht es um Pasers Klagegründe?«
»Unangenehm, das gestehe ich dir zu.«
»Folglich eine verlorene Verhandlung, unser Ruf beschmutzt und Bußzahlungen!«
»So weit sind wir noch nicht.«
»Glaubst du etwa an Wunder?«
»Wenn man sie einfädelt, warum nicht?«
Silkis hüpfte vor Freude ein paar Schritte. Sie hatte soeben eine Aloe von stattlichen zehn Metern erhalten, die gelbe, gelbrote und rote Blüten krönten. Ihr Saft enthielt ein Öl, mit dem sie
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