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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Aufgaben wird dann mit der Erfahrung zunehmen. Du erscheinst mir noch immer so düster, Paser; man könnte schwören, du hättest deine Lebensfreude verloren.« Paser faßte die Ereignisse zusammen. »Viele verwirrende Zufälligkeiten, nicht wahr?«
    »Was vermutest du?«
    »Noch zu früh, um mich darüber zu äußern. Ein Verstoß ist begangen worden, das ist gewiß; doch welcher Art und von welchem Ausmaß? Ich bin besorgt, vielleicht ohne Grund; bisweilen zaudere ich fortzufahren, doch ich kann, so gering meine Verantwortlichkeit auch sein mag, den Vorgang nicht billigen, will ich mit meinem Gewissen in Einklang sein.«
    »Das Herz entwirft die Vorhaben und leitet den Menschen; was das Gemüt anbelangt, so hält es das Erreichte fest und bewahrt die Vorstellungen des Herzens.« {38}
    »Mein Gemüt wird nicht schwach sein; was ich wahrgenommen habe, werde ich weiter erforschen.«
    »Verliere nie das Glück Ägyptens aus den Augen, bekümmere dich nicht um dein Wohlbefinden. Wenn deine Handlung gerecht ist, wird es sich zusätzlich einstellen.«
    »Wenn man das Verschwinden eines Menschen hinnimmt, ohne sich aufzulehnen, wenn ein amtliches Schriftstück einer Lüge gleichkommt, ist dann die Erhabenheit Ägyptens nicht bedroht?«
    »Deine Befürchtungen sind begründet.«
    »Wenn Euer Geist mit dem meinen ist, werde ich den schlimmsten Gefahren trotzen.«
    »An Mut mangelt es dir nicht; werde scharfsichtiger und wisse manche Hindernisse zu meiden. Dich von vorn darauf zu stürzen, wird dir bloß Verletzungen einbringen. Umgehe sie, lerne, die Kraft des Gegners zu nutzen, sei biegsam wie das Schilf und geduldig wie der Granit.«
    »Geduld ist nicht meine Stärke.«
    »Bilde dich aus nach Art des Baumeisters, der einen Werkstoff gestaltet.«
    »Ratet Ihr mir davon ab, ins Delta zu reisen?«
    »Deine Entscheidung ist doch gefaßt.«
     
    Hehr und prächtig in seinem bunt gesäumten Gewand von gefälteltem Leinen und mit seinen kunstvoll gepflegten Händen und Nägeln eröffnete Neb-Amun die Große Versammlung, die im Hauptsaal der Schule der Heilkunst von Memphis stattfand. Ein Dutzend namhafter Praktiker, von denen kein einziger in dem Ruf stand, für den Tod eines Kranken verantwortlich zu sein, sollten den jungen, gerade zugelassenen Ärzten ein erstes Amt anvertrauen. Für gewöhnlich gaben die Entscheidungen, von Wohlwollen geprägt, keinerlei Anlaß zu Anfechtungen. Auch diesmal würde die Aufgabe rasch erledigt sein. »Schreiten wir nun zum Fall von Neferet«, verkündete ein Chirurg. »Lobende Bemerkungen von Memphis, Sais und Theben. Eine glänzende, ja gar außergewöhnliche Begabung.«
    »Ja, aber eine Frau«, wandte Neb-Amun ein. »Sie ist nicht die erste!«
    »Neferet ist klug, das gestehe ich zu, doch es fehlt ihr an Tatkraft; die Erfahrung könnte ihre angelernten Kenntnisse in Stücke schmettern.«
    »Sie hat an zahlreichen Übungen und Lehrgängen ohne Fehl teilgenommen«, erinnerte ein Arzt der allgemeinen Heilkunde.
    »Diese Übungen stehen unter Aufsicht«, wies Neb-Amun katzenfreundlich hin, »wenn sie dem Kranken alleine gegenübersteht, wird sie dann nicht den Boden unter den Füßen verlieren? Ihre Widerstandskraft bereitet mir Sorge; ich frage mich, ob sie nicht fehlgegangen ist, als sie unserem Weg folgte.«
    »Was schlagt Ihr vor?«
    »Eine recht harte Prüfung und schwierige Kranke; falls sie die Lage meistert, werden wir uns dazu beglückwünschen. Im gegenteiligen Fall werden wir alles weitere erwägen.«
    Ohne die Stimme erhoben zu haben, erhielt Neb-Amun die Zustimmung seiner Standesgenossen. Er dachte Neferet die unangenehmste Überraschung ihrer beginnenden Laufbahn zu, sie würde daran zerbrechen, und er würde sie dann aus dem schwarzen Loch ihres Falles ziehen und sie, die dann voller Dankbarkeit und gefügig wäre, in den Schoß seines Stabes aufnehmen.
     
    Niedergeschmettert zog Neferet sich zurück, damit niemand ihre Tränen sah.
    Die größte Anstrengung vermochte sie nicht abzuschrecken; doch sie hätte niemals erwartet, die Verantwortung für ein Siechenhaus der Streitkräfte zu übernehmen, in dem die krank oder versehrt aus Asien heimkehrenden Krieger untergebracht waren. An die dreißig Männer waren auf Matten gebettet; die einen röchelten, andere waren dem Wahnsinn verfallen, wieder andere entleerten sich aller Säfte. Der für die Gesundheitsfürsorge der Kaserne Zuständige hatte der jungen Frau nicht die geringste Verhaltensmaßregel an die Hand gegeben und sich

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