Das Testament der Götter
seiner Sprachhemmung hatte Qadasch sich etwas eilfertig gegeben, als ob er einen langjährigen Freund empfinge. Wenn besagter Scheschi weiterhin derart wortkarg bliebe, drohte seine Unterredung mit dem Praktiker kurz zu werden. In der Tat holte der Zahnheilkundler den Richter ungefähr zehn Minuten später ab.
»Setzt Euch in diesen Faltsessel und lehnt den Kopf zurück.«
»Er ist nicht gesprächig, Euer Forscher.«
»Ein eher verschlossenes Wesen, aber ein aufrichtiger Mensch, auf den man bauen kann. Was ist Euch geschehen?«
»Ein unbestimmter Schmerz.«
»Laßt uns das mal sehen.«
Qadasch bediente sich eines Spiegels und nutzte einen Sonnenstrahl, um Pasers Gebiß zu untersuchen. »Habt Ihr bereits einen Berufsgenossen aufgesucht?«
»Einmal, in meinem Dorf. Einen fahrenden Zahnheilkundigen.«
»Ich sehe eine winzige Zahnfäule. Ich werde den Zahn mit einer wirksamen Füllung festigen: Terebinthenharz {35} , nubische Erde, Honig, Mühlsteinsplitter, grüner Augentrost und Kupferteilchen. Falls er wackelt, werde ich ihn mit einem feinen Golddraht an dem benachbarten Backenzahn befestigen … Nein, das wird nicht notwendig sein. Ihr habt ein gesundes und kräftiges Gebiß. Hingegen solltet Ihr auf Euer Zahnfleisch achten. Gegen den Eiterfluß verordne ich Euch eine Mundspülung aus Koloquinte, Gummi, Anis und eingeschnittenen Sykomorenfeigen; Ihr werdet sie eine ganze Nacht draußen lassen, damit sie sich mit Tau sättigt. Ebenso werdet Ihr Euer Zahnfleisch mit einem Brei aus Cinnamomum, Honig, Gummi und Öl einreiben. Und vergeßt nicht, häufig Sellerie zu kauen; er ist nicht allein eine belebende und den Hunger anregende Pflanze, sondern stärkt auch noch die Zähne. Doch laßt uns nun ernsthaft miteinander reden; Euer Zustand erforderte keine dringende Behandlung. Weshalb wünschtet Ihr mich ohne Verzug zu sehen?«
Glücklich, den verschiedenen Gerätschaften zu entgehen, deren sich der Zahnheilkundige üblicherweise bediente, stand Paser auf. »Euer Verwalter.«
»Ich habe diesen Unfähigen entlassen.«
»Ich wollte über den vorherigen sprechen.« Qadasch wusch sich die Hände. »An den erinnere ich mich nicht mehr.«
»Strengt bitte Euer Gedächtnis an.«
»Nein, wahrlich …«
»Seid Ihr Sammler von Amuletten {36} ?« Obgleich mit aller Sorgfalt gereinigt, blieben die Hände des Zahnheilkundigen rot. »Ich besitze einige davon, wie ein jeder von uns, doch ich messe ihnen kaum Bedeutung bei.«
»Die schönsten haben einen großen Wert.«
»Ohne Zweifel …«
»Euer ehemaliger Verwalter besaß eine Vorliebe für sie; er hat sogar einige schöne Stücke gestohlen. Daher meine Besorgnis: Solltet Ihr sein Opfer gewesen sein?«
»Es gibt mehr und mehr Diebe, da es mehr und mehr Fremde in Memphis gibt. Bald wird diese Stadt nicht mehr ägyptisch sein. Mit seinem besessenen Drang nach Rechtschaffenheit ist der Wesir Bagi der eigentliche Verantwortliche. PHARAO hat derart großes Vertrauen in ihn, daß niemand ihn zu tadeln wagt. Und Ihr noch weniger als alle anderen, da er Euer Gebieter ist. Zum Glück erspart Euch Euer niederer Rang in der Verwaltung, ihm zu begegnen.«
»Ist er so furchterregend?«
»Unerbittlich; die Richter, die dies vergessen haben, wurden abgesetzt, weil sie allesamt Verfehlungen begangen hatten. Indem er es ablehnt, die Fremden unter dem Vorwand der Gerechtigkeit auszuweisen, verdirbt der Wesir das Land. Habt Ihr meinen ehemaligen Verwalter verhaftet?«
»Er versuchte, sich in der Werft einstellen zu lassen, aber eine der üblichen Überprüfungen hat seine Vergangenheit ans Licht gebracht. Eine in Wahrheit traurige Geschichte; er veräußerte in einer Werkstatt entwendete Amulette, ist angezeigt und von seinem Nachfolger, den Ihr ausgewählt habt, fortgejagt worden.«
»In wessen Auftrag hat er gestohlen?«
»Das ist mir nicht bekannt. Wenn ich Zeit hätte, würde ich nachforschen; ich verfüge jedoch über keine Spur, und derart viele andere Dinge beschäftigen mich! Die Hauptsache ist, daß Ihr unter seiner Unverschämtheit nicht gelitten habt. Seid gedankt für Eure Bemühungen, Qadasch.«
Der Vorsteher der Ordnungskräfte hatte seine wichtigsten Gehilfen zu sich gerufen; diese Arbeitszusammenkunft sollte in keinem amtlichen Schriftstück erwähnt werden. Monthmose hatte ihre Berichte über den Richter Paser studiert.
»Kein verborgenes Laster, keine unstatthafte Leidenschaft, keine Geliebte, kein Netz von Verbindungen … Ihr vermittelt mir das Bild eines
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