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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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all dieser Ränke zu sein, deren Gründe weiter unverständlich blieben. Sich auf diesem Gebiet vorzuwagen, brachte Gefahren mit sich, die Monthmose nicht eingehen wollte; falls der Heerführer Ascher, den seine kürzlichen Beförderungen unangreifbar machten, der maßgebliche Kopf war, bestand für den Vorsteher der Ordnungskräfte keinerlei Aussicht, ihn zur Strecke zu bringen. Dem kleinen Richter freien Lauf zu lassen, bot etliche Vorteile. Er verstrickte sich nur selbst und ließ im Ungestüm der Jugend kaum Vorsicht walten. Er lief Gefahr, verbotene Türen aufzustoßen und Gesetzmäßigkeiten, von denen er nichts wußte, zu übergehen. Wenn er ihm auf der Spur bliebe, könnte Monthmose die Ergebnisse seiner Ermittlung insgeheim ausnutzen. Deshalb konnte er ihn sich ebensogut zu einem sachlichen und unabhängigen Bundesgenossen machen, bis er ihn nicht mehr benötigen würde.
    Eine verwirrende Frage blieb jedoch bestehen: Weshalb war dieser Vertuschungsversuch eingefädelt worden? Der Initiator hatte Paser jedenfalls falsch eingeschätzt in der festen Überzeugung, daß die Fremdheit und erstickende Unheimlichkeit des Ortes, die beklemmende Gegenwart des Todes, den Richter davon abhalten würden, sich genauer mit dieser Mumie zu befassen, und ihn dazu brächte, seine Petschaft anzubringen und flugs zu verschwinden. Das genaue Gegenteil war eingetreten; weit entfernt, die Angelegenheit gleichgültig auf sich beruhen zu lassen, hatte der Amtmann deren Ausmaß sehr wohl erahnt.
    Monthmose versuchte sich zu beruhigen: Das Verschwinden eines einfachen Altgedienten und Inhabers eines Ehrenamtes vermochte doch trotz allem das Land nicht zu erschüttern! Zweifellos handelte es sich um ein Verbrechen aus niederen Beweggründen, das irgendein Soldat begangen hatte, und ein Krieger hohen Ranges, Ascher oder einer seiner Gefolgsleute, schützte ihn nun. In dieser Richtung würde man weitersuchen müssen.

16. Kapitel
    Am ersten Tag des Frühlings ehrte Ägypten die Toten und die Ahnen. Zum Ende des gleichwohl milden Winters wurden die Nächte jählings frischer wegen des Wüstenwindes, der in Böen blies. In allen großen Totenstädten verehrten die Familien das Andenken der Entschwundenen, indem sie Blumen in den zur Außenwelt geöffneten Nischen der Gräber niederlegten. Keine undurchlässige Grenze trennte das Leben vom Tod; deshalb speisten und feierten die Lebenden mit den Dahingeschiedenen, deren Seele sich in der Flamme eines Räuchertopfs verkörperte. Die Nacht leuchtete überall auf und lobpries die Begegnung des irdischen Diesseits und des Jenseits. In Abydos {43} , der heiligen Stadt des Osiris, in der die Auferstehungsmysterien begangen wurden, stellten die Priester kleine Barken auf die Aufbauten der Gräber, um die Fahrt zu den Gefilden der Seligkeit zu beschwören. Nachdem er Feuer vor den Opferaltären der wichtigsten Tempel von Memphis entfacht hatte, wandte PHARAO sich nach Gizeh. Wie jedes Jahr, am selben Tage, rüstete Ramses der Große sich, allein in die Große Pyramide zu treten und sich vor Cheops’ Sarkophag zu sammeln. Im Herzen des ungeheuren Bauwerks schöpfte der König die nötige Kraft, um die Beiden Länder, Ober- und Unterägypten, zu einen und ihnen Gedeihen und Wohlstand zu bringen. Er würde die Goldene Maske des Erbauers und den Krummstab, der Elle und Anstifter seines Handelns war, schauen. Wenn die Zeit gekommen wäre, würde er das Testament der Götter in die Hand nehmen und es während des Verjüngungsrituals dem Lande vorzeigen.
    Der Vollmond beschien die Hochebene, auf der sich die drei Pyramiden erhoben. Ramses trat an die Pforte der Umfriedung der Cheopspyramide, die unter dem Schutz einer Sondertruppe stand. Der König war lediglich mit einem einfachen weißen Schurz und einem breiten, goldenen Pektoral geschmückt. Die Soldaten verneigten sich und zogen die Riegel zurück. Ramses der Große überschritt die granitene Schwelle und begab sich auf den ansteigenden, mit Kalkplatten belegten Aufweg. Bald sollte er vor dem Eingang der Großen Pyramide stehen, dessen geheimes Riegelwerk nur er bedienen konnte und dies seinem Nachfolger weitergeben würde.
    Diese Begegnung mit Cheops und dem Gold der Unsterblichkeit durchlebte der König jedes Jahr mit tieferer Eindringlichkeit. Über Ägypten zu herrschen, war eine zwar begeisternde, doch ebenso erdrückende Aufgabe; die Riten spendeten ihm dafür die unerläßliche Lebenskraft.
    Ramses klomm langsam die Große Galerie empor und

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