Das Testament der Götter
undurchführbarer als die andere, und legte sie nicht einmal mehr dem Wesir vor. Er begnügte sich damit, Verbesserungen zu versprechen, an die niemand glaubte. Von Zeit zu Zeit beruhigte eine Maßnahme der Ordnungshüter die Gemüter; dann räumte man eine Straße frei, in der das Halten für einige Tage untersagt wurde, erlegte den Zuwiderhandelnden Bußen auf, bis die schlechten Gewohnheiten schließlich wieder die Oberhand gewannen.
Monthmose ließ die Verantwortung auf den Schultern seiner Untergebenen lasten und hütete sich wohlweislich, ihnen die Möglichkeiten an die Hand zu geben, die Schwierigkeiten zu beseitigen; indem er sich über dem Getümmel hielt und nur seine Gefolgsleute sich hineinstürzen ließ, bewahrte er seinen ausgezeichneten Ruf.
Als man ihm Richter Pasers Anwesenheit im Warteraum ankündigte, trat er aus seinem Arbeitszimmer, um ihn zu begrüßen. Solcherlei Achtungsbezeigungen trugen ihm einiges an Wohlwollen ein. Das düstere Gesicht des Gerichtsbeamten verhieß nichts Gutes.
»Mein Morgen ist sehr ausgefüllt, doch ich will Euch gerne empfangen.«
»Ich glaube, es ist unerläßlich.«
»Ihr scheint erschüttert.«
»Ich bin es auch.«
Monthmose kratzte sich an der Stirn. Etwas unsicher geleitete er den Richter in sein Amtszimmer, aus dem er seinen persönlichen Schreiber sofort verwies. Angespannt ließ er sich auf einem prachtvollen, von Stierfüßen gezierten Stuhl nieder. Paser blieb stehen. »Ich höre Euch zu.«
»Ein Offizier der Streitwagenkämpfer hat mich zu Djui, dem Einbalsamierer des Heeres, geführt. Er hat mir die Mumie des Mannes gezeigt, nach dem ich suche.«
»Die des ehemaligen Oberaufsehers des Sphinx? Dann ist er tot!«
»Zumindest hat man mich das glauben machen wollen.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Da die allerletzten Rituale noch nicht vollzogen waren, habe ich den oberen Teil der Mumie unter der Aufsicht der Heilkundigen Neferet ausgewickelt. Der Körper ist der eines jungen Mannes von ungefähr zwanzig Jahren, der wahrscheinlich von einem Pfeil tödlich verletzt wurde. Ganz offenkundig handelt es sich bei dem Körper nicht um den des Altgedienten.«
Der Vorsteher der Ordnungskräfte wirkte wie vor den Kopf geschlagen.
»Diese Geschichte ist unglaublich!«
»Überdies«, fuhr der Richter unerschütterlich fort, »haben zwei Krieger versucht, mir den Zugang in die Balsamierungswerkstatt zu verwehren. Als ich wieder herauskam, waren sie verschwunden.«
»Und der Name dieses Offiziers der Streitwagentruppe?«
»Ist mir nicht bekannt.«
»Eine erhebliche Wissenslücke.«
»Glaubt Ihr nicht, daß er mich angelogen hätte?« Widerwillig pflichtete Monthmose bei. »Wo ist der Leichnam?«
»Bei Djui und unter seiner Bewachung. Ich habe einen ausführlichen Bericht verfaßt; er beinhaltet die Aussagen der Heilkundigen Neferet, des Balsamierers und meines Ordnungshüters Kem.« Monthmose hob die Augenbrauen. »Seid Ihr mit ihm zufrieden?«
»Er ist vorbildlich.«
»Seine Vergangenheit spricht nicht zu seinen Gunsten.«
»Er steht mir auf wirkungsvolle Weise bei.«
»Hütet Euch vor ihm.«
»Kehren wir, wenn Ihr wollt, zu dieser Mumie zurück.«
Der Vorsteher der Ordnungskräfte verabscheute es, sich in einer Lage zu befinden, die er nicht vollends beherrschte. »Meine Männer werden sie holen gehen, und wir werden sie untersuchen; wir müssen seinen Namen und Stand herausfinden.«
»Desgleichen müssen wir wissen, ob wir einem Todesfall gegenüberstehen, der auf eine Kampfhandlung der Streitkräfte oder ein Verbrechen zurückgeht.«
»Ein Verbrechen! Das denkt Ihr doch nicht im Ernst?«
»Von meiner Seite aus führe ich die Ermittlungen weiter.«
»In welcher Richtung?«
»Ich bin zum Schweigen verpflichtet.«
»Nehmt Ihr Euch etwa vor mir in acht?«
»Eine unangebrachte Frage.«
»Ich bin in diesem Wirrwarr genauso kopflos wie Ihr. Sollten wir nicht in bestem Einvernehmen zusammenarbeiten?«
»Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung erscheint mir vorteilhafter.«
Monthmoses Zorn ließ die Wände des Hauses der Ordnungskräfte erzittern. Noch am selben Tag wurden fünfzig hohe Beamte abgestraft und zahlreicher Vorrechte beraubt. Zum ersten Male seit seiner Eroberung des hierarchischen Gipfels der Ordnungskräfte war er nicht auf einwandfreie Weise unterrichtet worden. Verurteilte ein solches Versagen sein Herrschaftsgefüge nicht zum Untergang? Er würde sich jedoch nicht kampflos stürzen lassen. Leider schien das Heer Anstifter
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