Das Testament der Götter
zurückgekehrten Altgedienten?«
»In der Tat!«
»Hat jemand diesem … Unfall beigewohnt?«
»Nein. Weshalb all diese Fragen?«
»Ich bin der Richter Paser, und ich kam hierher, um diesen Unglücklichen zu befragen.«
»Worüber?«
»Ohne Belang.«
Eine völlig aufgelöste Frau klammerte sich jäh an Pasers linken Arm.
»Es waren die Geister der Nacht, die ihn getötet haben, weil er eingewilligt hat, Brot, unser Brot, dieser Fremden namens Hattusa zu liefern, die über den Harem herrscht.«
Der Richter stieß sie barsch beiseite. »Da Ihr das Gesetz anwendet, rächt unseren Bäcker und nehmt diese Dämonin fest.«
Paser und Kem aßen auf dem freien Feld neben einem Brunnen zu Mittag. Der Babuin schälte mit großer Fingerfertigkeit milde Zwiebeln. Er begann allmählich, Pasers Gegenwart ohne großes Mißtrauen zu dulden. Brav labte sich an Brot und Gurken, Wind des Nordens kaute Futterklee. Fahrig drückte der Richter einen Schlauch frisches Wasser an sich.
»Ein Unfall und fünf Opfer! Das Heer hat gelogen, Kem. Sein Bericht ist eine Fälschung.«
»Ein einfacher Irrtum der Verwaltung.«
»Das war Mord, ein erneuter Mord.«
»Keinerlei Beweise. Der Bäcker ist verunglückt. So etwas hat sich schon ereignet.«
»Der Mörder ist vor uns dagewesen, weil er wußte, daß wir ins Dorf kommen würden. Niemand sollte die Spur des vierten Altgedienten wiederfinden, niemand sollte sich mit dieser Angelegenheit näher befassen.«
»Dringt nicht weiter. Ihr habt irgendeine Abrechnung unter Kriegern aufgestöbert.«
»Wenn die Gerechtigkeit sich geschlagen gibt, wird die Gewalt anstelle von PHARAO herrschen.«
»Ist Euer Leben nicht wichtiger als das Gesetz?«
»Nein, Kem.«
»Ihr seid der unerschütterlichste Mann, dem ich je begegnet bin.«
Wie sehr der Nubier sich doch täuschte! Selbst in diesen unheilvollen Stunden gelang es Paser nicht, Neferet aus seinem Sinn zu verbannen. In der Folge dieses Zwischenfalls, der ihm die Stichhaltigkeit seiner Ahnungen bewies, hätte er sich ganz seiner Untersuchung widmen müssen; doch die Liebe, so heftig wie der Wind des Südens, fegte diesen Vorsatz hinweg. Er stand auf und lehnte sich mit geschlossenen Lidern gegen den Brunnen. »Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«
»Es wird vorübergehen.«
»Der vierte Altgediente war noch am Leben«, erinnerte Kem.
»Wie steht es um den fünften?«
»Falls wir ihn befragen könnten, würden wir dieses Geheimnis durchdringen.«
»Sein Dorf ist ohne Zweifel nicht sehr weit entfernt.«
»Wir werden nicht hingehen.« Der Nubier lächelte. »Endlich seid Ihr vernünftig!«
»Wir werden nicht hingehen, weil man uns verfolgt und uns vorauseilt. Wegen unseres Eintreffens nämlich wurde der Bäcker ermordet. Falls der fünfte Altgediente noch von dieser Welt ist, würden wir ihn zum Tode verurteilen, gingen wir weiterhin auf dieselbe Weise vor.«
»Was schlagt Ihr vor?«
»Ich weiß es noch nicht. Zunächst werden wir nach Theben zurückkehren. Der oder die, die uns beobachten, werden glauben, wir befänden uns auf der falschen Fährte.«
Paser überprüfte die Erträge der Holzsteuer des vorangegangenen Jahres. Der fettleibige Beamte öffnete seine Schriftenkammern und labte sich dann an Karobesaft. Dieser niedere Richter besaß wahrhaftig nicht die geringste Spur von Größe. Während er unzählige Buchhaltungstäfelchen einsah, schrieb der thebanische Amtmann einen Brief an Monthmose, um ihn zu beruhigen. Paser würde keinen Sturm verursachen.
Trotz des behaglichen Zimmers, das ihm angeboten worden war, verbrachte der Richter eine schlaflose Nacht, hin- und hergerissen zwischen der Besessenheit, Neferet wiederzusehen, und der Notwendigkeit, seine Nachforschungen fortzusetzen. Sie wiedersehen, da er ihr doch gleichgültig war; seine Nachforschungen fortsetzen, da die Angelegenheit doch bereits begraben und vergessen war? Unter der Verzweiflung seines Herrn leidend, legte Brav sich eng neben ihn. Seine Wärme würde ihm die Lebenskraft einflößen, die er benötigte. Der Richter streichelte seinen Hund und dachte dabei an seine Streifzüge am Nil entlang, als er noch ein junger sorgloser Mann und davon überzeugt gewesen war, ein friedliches Dasein in seinem Dorf zu verleben, in dem Jahreszeit auf Jahreszeit folgte. Das Schicksal hatte sich seiner mit der Jähe und der Gewalt eines Raubvogels bemächtigt; würde er, wenn er seinen tollen Träumen, wenn er Neferet, der Wahrheit entsagte, seine innere Ruhe von einst
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