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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Anschein nach bestand keine besondere Bewachung; doch wer immer versuchte, die in die Tiefe des Gebäudes führende Treppe zu betreten, wurde barsch aufgehalten und schonungslos verhört.
    Scheschi war aufgrund seiner außerordentlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Festigkeit von Metallen von den für Bau und Handwerk zuständigen Ämtern des Palastes angeworben worden. Bereits in seinem ursprünglichen Beruf eines Bronzegießers war er fortwährend darum bemüht gewesen, die Aufbereitung des für die Herstellung der Steinmetzmeißel unerläßlichen Rohkupfers zu verbessern.
    Wegen seiner Erfolge und seiner Ernsthaftigkeit war er stetig aufgestiegen; an dem Tage dann, da er Werkzeuge von erstaunlicher Festigkeit geliefert hatte, mit denen die Blöcke des am Westufer Thebens errichteten »Hauses der Millionen Jahre« {47} von Ramses dem Großen behauen wurden, war sein Ruf bis zu den Ohren des Königs gedrungen.
    Scheschi hatte seine drei wichtigsten Gefolgsleute zu sich bestellt, Männer reifen Alters und erfahrene Wissenschaftler. Lampen, deren Dochte nicht rauchten, erhellten das Untergeschoß. Gemächlich und gewissenhaft räumte Scheschi die Papyri beiseite, auf denen er seine letzten Berechnungen niedergeschrieben hatte.
    Mit Unbehagen faßten die drei sich in Geduld. Das Schweigen des Metallforschers verhieß nichts Gutes, wenngleich er auch sonst recht wortkarg war. Diese unerwartete und gebieterische Einbestellung lag nicht in seinen Gewohnheiten. Der kleine Mann mit dem schwarzen Schnurrbart drehte seinen Gehilfen den Rücken zu. »Wer hat geplaudert?« Keiner antwortete.
    »Ich werde meine Frage nicht wiederholen.«
    »Sie ist ohne Sinn.«
    »Während eines Empfangs hat ein Geschäftsmann mir von Legierungen und neuen Waffen erzählt.«
    »Unmöglich! Er hat Euch angelogen.«
    »Ich war zugegen. Wer hat geplaudert?« Erneutes Schweigen.
    »Ich habe nicht die Möglichkeit, eine Ungewisse Untersuchung durchzuführen. Selbst wenn die verbreiteten Behauptungen unvollständig, also unrichtig sind, ist das Vertrauen zerstört.«
    »Mit anderen Worten …«
    »Mit anderen Worten, Ihr seid Eurer Ämter enthoben.«
     
    Neferet hatte das ärmste und abgeschiedenste Dorf des thebanischen Bezirks erwählt. An der Grenze zur Wüste gelegen und schlecht bewässert, zählte es eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Hautleidenden. Die junge Frau war weder traurig noch niedergeschlagen; den Krallen Neb-Amuns entronnen zu sein, erfüllte sie mit Genugtuung, auch wenn sie für ihre Freiheit eine vielversprechende Laufbahn eingetauscht hatte. Sie würde die Armen mit den Mitteln pflegen, über die sie verfügte, und sich mit einem einsiedlerischen Dasein auf dem Lande zufriedengeben. Wenn das Krankenschiff den Fluß hinunter nach Memphis fuhr, würde sie ihren Lehrmeister Branir besuchen. Da er sie kannte, würde er nicht versuchen, sie umzustimmen.
    Bereits am zweiten Tage nach ihrer Ankunft hatte Neferet die gewichtigste Person des Marktfleckens geheilt, einen des Gänsemästens kundigen Mann, der an ungleichmäßigem Herzschlag litt. Eine ausgiebige Walkung und das Einrenken der Wirbelsäule brachten ihn wieder auf die Beine. Bei seiner Tätigkeit hockte der Mäster am Boden neben einem niedrigen Tisch, auf dem aus einem Wasserbehälter geholte Mehlklöße lagen, und ergriff eine seiner Gänse am Hals. Das Federvieh wehrte sich, doch er ließ nicht los und führte behutsam die Stopfklumpen in den Kropf, wobei er sein Tun mit besänftigenden Worten begleitete. Derart genudelt taumelte die Gans erst wie trunken und watschelte dann zur Verdauung davon. Die Mast der Kraniche erforderte mehr Aufmerksamkeit. Was seine Stopfleber anbelangte, galt sie als eine der berühmtesten der ganzen Gegend.
    In der Folge dieser ersten, als wundersam befundenen Heilung war Neferet zur Heldin des Dorfes geworden. Die Bauern hatten sie um Ratschläge ersucht, wie sie die Feinde des Feldes und der Obstgärten, insbesondere die Heuschrecken und Grillen, bekämpfen sollten; doch die junge Frau hatte es vorgezogen, zunächst gegen eine andere Plage anzugehen, die ihr die Ursache für jene Hautentzündungen zu sein schien, die Erwachsene wie Kinder heimsuchten, nämlich die Fliegen und Stechmücken. Ihr unmäßiges Auftreten ließ sich mit einem Pfuhl versumpften Wassers erklären, der seit mehr als drei Jahren nicht entwässert worden war. Neferet ließ ihn trockenlegen, empfahl allen Dorfbewohnern, ihre Häuser zu reinigen und zu entseuchen, pflegte

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