Das Testament der Götter
sie zu Paser, »steckt es in das Loch und atmet die Dämpfe abwechselnd durch den Mund und durch die Nase ein. Die Räucherung wird Euch Linderung verschaffen.« Ein Fehlschlag hätte Paser nicht mißfallen, doch das Heilverfahren erwies sich als wirkungsvoll. Die Beengung nahm ab, die Atmung ging leichter.
»Kein Schauder mehr?«
»Nur ein Gefühl der Mattheit.«
»Während einiger Tage empfehle ich Euch eine reichhaltige und eher fette Nahrung: rotes Fleisch, frisches Öl zu den Lebensmitteln. Ein wenig Ruhe wäre segensreich.«
»Der muß ich entsagen.«
»Was führt Euch nach Theben?« Er hatte Lust zu schreien: »Ihr, Neferet, Ihr allein!«, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er war sich gewiß, daß sie seine Leidenschaft wahrnahm, er wartete, daß sie ihm die Möglichkeit böte, sie zu äußern, wagte jedoch nicht, ihren Frieden mit einem tollen Wahn zu trüben, den sie zweifelsohne mißbilligen würde.
»Vielleicht ein Verbrechen, vielleicht mehrere Verbrechen.«
Er spürte, wie ein Unheil sie verstörte, das sie nicht betraf. Hatte er das Recht, sie in diese Angelegenheit zu verwickeln, deren wahres Wesen ihm selbst unbekannt war?
»Ich habe vollstes Vertrauen zu Euch, Neferet, doch ich möchte Euch nicht mit meinen Sorgen zur Last fallen.«
»Seid Ihr nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet?«
»Bis zu dem Zeitpunkt, da ich Schlußfolgerungen ausspreche.«
»Morde … sollte dies Eure Schlußfolgerung sein?«
»Meine innerste Überzeugung.«
»So viele Jahre wurde nun bereits kein Mord mehr begangen!«
»Fünf Altgediente, die die Ehrenwache des Großen Sphinx bildeten, sind – bei einem Sturz von dessen Kopf – während einer einfachen Überprüfung gestorben. Unfall – so lautet die amtliche Darlegung des Heeres. Nun versteckte sich jedoch einer von ihnen in einem Dorf am Westufer, wo er die Pflichten des Bäckers versah. Ich hätte ihn gerne vernommen, doch diesmal war er wahrhaftig tot. Wieder ein neuer Unfall. Der Vorsteher der Ordnungskräfte läßt mir nachstellen, als ob ich mich dadurch schuldig machte, eine Untersuchung durchzuführen. Ich bin völlig ratlos, Neferet. Ach, vergeßt meine Bekenntnisse.«
»Wollt Ihr aufgeben?«
»Ich habe einen unstillbaren Drang nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Gäbe ich auf, würde ich mich zerstören.«
»Kann ich Euch helfen?« Ein anderes Fieber erfüllte Pasers Augen. »Wenn wir uns von Zeit zu Zeit unterhalten könnten, hätte ich mehr Mut.«
»Eine Erkältung kann Nebenwirkungen zeitigen, die besser scharf überwacht werden sollten. Weitere Untersuchungen werden notwendig sein.«
21. Kapitel
Die Nacht in der Herberge war so fröhlich wie erschöpfend gewesen. Scheiben gerösteten Ochsenfleischs, Eierfrüchte mit Sahne, Backwaren nach Belieben und eine prachtvolle Libyerin von vierzig Jahren, die ihrem Land entflohen war, um die ägyptischen Krieger zu zerstreuen. Der Offizier des Streitwagens hatte Sethi nicht belogen: Ein Mann genügte ihr nicht. Er, der sich der stürmischste aller Liebhaber wähnte, hatte die Waffen strecken und das Feld seinem Vorgesetzten überlassen müssen. Spöttisch und entflammt nahm die Libyerin die unglaublichsten Stellungen ein.
Als der Streitwagen sich wieder auf den Weg machte, hatte Sethi Mühe, die Augen offenzuhalten. »Du mußt lernen, auf Schlaf zu verzichten, mein Junge! Vergiß nicht, daß der Feind dann angreift, wenn du müde bist. Eine gute Neuigkeit: Wir sind die Vorhut der Vorhut! Die ersten Streiche werden uns gelten. Falls du ein Held werden wolltest, kannst du nun dein Glück versuchen.« Sethi drückte den Bogen gegen seine Brust.
Der Wagen fuhr die Mauern des Herrschers {49} entlang, eine ungeheure, von den Pharaonen des Mittleren Reiches errichtete und von deren Nachfolgern stetig verbesserte Flucht von Festungen; eine wahrhaftige Große Mauer, deren verschiedene Bauwerke untereinander durch Signaltürme verbunden waren und die jeglichen Einfallversuch von Seiten der Beduinen und der Asiaten verwehrte. Von den Gestaden des Mittelmeers bis nach Heliopolis beschirmten die Mauern des Herrschers zugleich die stehenden Truppen, die eigens für die Bewachung der Grenzen ausgebildet waren, und die Zöllner. Niemand betrat Ägypten oder verließ es, ohne seinen Namen und den Grund seiner Reise genannt zu haben; die Händler gaben zudem die Art ihrer Waren an und entrichteten Abgaben. Die Ordnungshüter drängten die unerwünschten Fremden zurück und stellten
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