Das Testament der Götter
aufgenommen zu werden. Ihr Vater half ihr in keiner Weise; ihre eigenen Fähigkeiten würden ihr erlauben, zum Ziel zu gelangen.
Voller Überdruß verließ der Wesir seinen Stuhl und ließ sich auf einem Hocker nieder, dessen zur Mitte hin leicht ausgewölbte Sitzfläche aus fischgrätenartig geflochtenem Seil bestand. Vor seiner täglichen Besprechung mit dem König mußte er Kenntnis von den Berichten der verschiedenen Räte nehmen. Gebeugt und mit schmerzenden Füßen versuchte er, seine Aufmerksamkeit zu sammeln. Sein persönlicher Schreiber unterbrach seine Einsichtnahme. »Ich bin untröstlich, Euch zu belästigen.«
»Was geht vor?«
»Ein Bote des Asien-Heeres hat Meldung gemacht.«
»Faßt kurz zusammen.«
»Aschers Sondereinsatzverband ist vom Kern unserer Truppen abgeschnitten.«
»Ein Aufstand?«
»Der Libyer Adafi, zwei asiatische Zwergkönige und Beduinen.«
»Schon wieder die! Unsere Geheimen Kundschafter haben sich übertölpeln lassen.«
»Werden wir Verstärkung entsenden?«
»Ich werde augenblicklich Hoheit um Rat fragen.« Ramses befahl zwei weiteren Heeresverbänden, gen Asien zu ziehen, und dem Hauptheer, sein Vorrücken zu beschleunigen. Der König nahm die Angelegenheit äußerst ernst; Ascher mußte, sofern er überlebt hatte, die Aufrührer vernichten. Seit Verkündigung des Erlasses, der den Hof in höchstes Erstaunen gestürzt hatte, wußte der Wesir nicht mehr ein noch aus, um PHARAOS Anweisungen in die Tat umzusetzen. Dank seiner gewissenhaften und scharfen Amtsführung würde das Erfassen der Reichtümer Ägyptens und dessen verschiedener Vorräte höchstens einige Monate benötigen; doch seine Gesandten mußten hierfür die Oberen jedes Tempels und jeden Gaufürsten befragen, eine beeindruckende Menge an Rechenschaftsberichten abfassen und sämtliche Ungenauigkeiten aufspüren. Die Ansinnen des Herrschers lösten eine dumpfe Feindseligkeit aus; daher auch befleißigte sich Bagi, der als der wahre Verantwortliche dieser amtlichen Erhebung betrachtet wurde, etliche Empfindlichkeiten zu beschwichtigen und die Gereiztheit zahlreicher Würdenträger zu zerstreuen.
Am Ende des Nachmittags hatte Bagi die Gewißheit, daß seine Anweisungen wortgetreu ausgeführt worden waren. Schon am nächsten Tag würde er die Stärke des – bereits in Kampfbereitschaft befindlichen – Heeres der Mauern des Herrschers verdoppeln.
Der Abend im Feldlager verlief in düsterer Stimmung. Am folgenden Tag wollten die Ägypter die aufständische Feste angreifen, ihr Abgeschnittensein somit brechen und versuchen, eine Verbindung mit Heerführer Ascher herzustellen. Der Sturm kündigte sich als schwierig an. Viele würden wohl nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Sethi aß mit dem ältesten Krieger, einem aus Memphis stammenden Raufbold, zu Abend. Er leitete den Einsatz des Sturmturms auf Rädern. »In sechs Monaten«, offenbarte dieser ihm, »werde ich im Ruhestand sein. Das ist mein letzter Asienfeldzug, Jüngelchen! Hier, iß frischen Knoblauch. Das wird dich erleichtern und dir Erkältungen ersparen.«
»Er wäre besser mit ein wenig Koriander und rosenrotem Wein.«
»Der Festschmaus kommt nach dem Sieg! Für gewöhnlich wird man in diesem Verband gut genährt. Ochse und Backwaren sind nicht selten, die Frische des Gemüses ist annehmbar, das Bier reichlich. Seinerzeit, da stahlen die Soldaten hier und da; Ramses hat diese Sitte verboten und die Plünderer aus den Streitkräften gejagt. Ich, ich habe nie jemanden bestohlen. Man wird mir ein Haus auf dem Land, ein Stück Feld und eine Dienerin geben. Ich werde wenig Steuern entrichten müssen und meinen Besitz dem Menschen meiner Wahl vermachen. Du hast recht gehabt, dich zu verpflichten, Jüngelchen; deine Zukunft ist gesichert.«
»Unter der Bedingung, heil aus diesem Wespennest herauszukommen.«
»Wir werden diese Feste schleifen. Vor allem, nimm dich auf deiner Linken in acht. Der männliche Tod kommt von dieser Seite, der weibliche von der anderen.«
»Keine Frauen beim Feind?«
»Doch, und zwar tapfere!«
Sethi würde weder die Linke noch die Rechte vernachlässigen; er würde auch den Rücken nicht vergessen, im Gedenken an den Offizier der Streitwagentruppe.
Die ägyptischen Soldaten stürzten sich in einen wilden Tanz, ließen ihre Waffen über ihren Köpfen kreisen und reckten sie gen Himmel, um ein günstiges Geschick und den Mut zu erlangen, bis zum Tode zu kämpfen. Den von allen Ländern eingehaltenen Übereinkünften
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