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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Corentin. Padric. Robin. Jourdain. Lucien. Aber Yannic kann ich nirgendwo entdecken. Der nächste Gedanke versetzt mir einen Stich ins Herz: Ist er tot?
    Der gregorianische Gesang verklingt mit einem grandiosen Widerhall in der gewaltigen Kirche. Die panische Angst verleiht dem Gesang der Mönche Flügel – sie singen die Psalmen lauter als sonst. Flehen inbrünstiger.
    Mit gesenktem Kopf stehen die Fratres vor dem Altar und erwarten demütig die Lesung aus der Heiligen Schrift. Bei manch einem neigt sich der Kopf langsam zur Seite und ruckt dann wieder zurück. Die Vigilantes gehen mit Kerzen durch die Reihen, um zu verhindern, dass die Fratres im Stehen einnicken. Die Nacht des Grauens war lang, das Sehnen nach Ruhe wird übermächtig.
    Yvain erhebt seine tiefe Stimme und liest aus dem Buch Jesaja von Satans Höllensturz: »›Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Lucifer, Sohn der Morgenröte! Wie bist du zu Boden geschmettert, du Überwältiger der Nationen! Und du, du sagtest in deinem Herzen: ›Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über den Sternen Gottes meinen Thron aufrichten und mich niedersetzen. Ich will hinaufsteigen auf Wolkenhöhen, dem Höchsten mich gleich machen.‹ Doch in die Hölle wirst du hinabstür …‹«
    Ein gellender Schrei hallt plötzlich durch die Kirche und reißt die Mönche aus ihrer Selbstversunkenheit: Padric in Panik.
    Neben ihm kippt Jourdain mit einem erstickten Röcheln vornüber. Padric packt ihn an den Schultern, blickt ihm ins hostienbleiche, schweißüberströmte Gesicht und kann ihn gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor Jourdain am ganzen Körper zuckend und bebend zu Boden geht.
    Yvain verstummt und bekreuzigt sich, während Robin und Lucien Padric helfen, Jourdain auf den Boden zu legen. Corentin kniet neben dem Sterbenden nieder und spendet ihm die Sakramente.
    Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen sinkt Padric neben seinem Freund nieder und stammelt etwas, das ich im Geraune der Mönche kaum verstehen kann: »… das vierte Siegel … Yannic hatte recht.« Weinend bricht er zusammen.
    Wo ist Yannic?
    Hinter mir verhallen die Stimmen der Mönche, während ich die Treppe hinunterhaste und die Totenkapelle betrete.
    Vor dem Altar sind die Verstorbenen aufgebahrt.
    Conan – das erste Siegel. Eoghan – das zweite. Raymond – das dritte. Abelard – das fünfte. Schon bald wird Jourdain neben den anderen liegen.
    Und Yannic? Wird das sechste Siegel geöffnet?
    Die Offenbarung des Johannes spricht von einem Sturm und einer Flut. ›Gekommen ist der große Tag des Zorns. Und wer vermag zu bestehen?‹
    Bezieht sich dieser Vers auf Yannic?
    Ich höre Schritte auf der Treppe. Die Mönche bringen Jourdain.
    Hastig verlasse ich die Totenkapelle und husche in die Treppengalerie, die zur Krypta Notre-Dame-sous-Terre hinaufführt. Tyson hockt in den dichten Weihrauchschwaden vor dem verschlossenen Portal und beginnt, kläglich zu maunzen, als er mich sieht.
    Ich springe die Stufen hinauf, nehme den Kater auf den Arm, öffne das Portal, das zu meinem Erstaunen nicht verriegelt ist, und verschwinde in der Krypta, noch bevor die Fratres die nur wenige Schritte entfernte Totenkapelle erreicht haben.
    Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu und verriegele sie. Dann setze ich Tyson auf den Boden, um Licht zu machen. Sofort entwischt der Kater über die Geröllhalde in den hinteren Teil der Kapelle.
    Dort stößt er wieder dieses klägliche Maunzen aus, das an das Weinen eines kleinen Kindes erinnert.
    Ich fummele mein Feuerzeug aus der silbernen Zunderdose an meinem Gürtel, entzünde den Kerzenstummel und folge Tyson, der in der Apsis vor einem zerstörten Altar hockt und mich ansieht. Seine grünen Augen leuchten im Kerzenschein.
    Der Altar war einst ein Dolmentisch aus drei Granitplatten. Die seitlichen Steine sind umgekippt. Der flache Altarstein ist mit Mörtel auf dem Boden der Krypta befestigt.
    Ist darunter das Testament des Satans begraben?
    »Miau!«
    Ich ziehe meinen Dolch, hocke mich neben Tyson ins Geröll und stochere im Mörtel herum. Er ist noch nicht ganz ausgehärtet und gibt nach unter der Klinge meines Dolches.
    Wie damals, erinnere ich mich mit einem Schaudern, als mich Dom Tristo de Castro, der portugiesische Christusritter, lebendig einmauerte, als ich im Labyrinth des Tempelbergs die verlorene Bundeslade suchte.
    Mit seinen scharfen Krallen kratzt nun auch Tyson am trocknenden Mörtel herum. Immer wieder hält er inne und wittert mit zitternden

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