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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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habe. Er wird darüber hinwegkommen. Ich liebe ihn nicht. Nicht so, wie er mich liebt. Nicht so, wie ich es tun sollte, denn ich bin seine Frau. Bitte komm zurück, Yann. Ich kann nicht leben ohne dich.
    Ich habe geweint, als ich deine Zeilen las, Rozenn. Während ich im Sturm auf den Klippen des Saint Michael’s Mount hockte und deinen Brief las, war es, als ob du neben mir sitzen würdest. Ich konnte dich spüren. Doch die zarten Berührungen waren nur die spritzende Gischt der Wellen, die von Süden, von Enez Eusa, heranrollten und sich an den Felsen unter mir brachen. Und deine Stimme, die ich zu hören glaubte, war nur das Geschrei der Möwen.
    Die Welt, die mich umgab, war düster, der Himmel war nicht blau, das Meer rauschte nicht, und die Blumen dufteten nicht. Die Freude war aus meinem Leben verschwunden, selbst in den Träumen, in denen wir uns begegnen, in denen der Wind dein Haar zerzaust, in denen deine Augen das Licht des Sonnenuntergangs einfangen, in denen wir uns lieben. Sie endeten alle gleich. Der Platz im Bett neben mir war kalt und leer. Ich war allein.
    Die Einsamkeit ist das Gefühl, das am schwersten zu ertragen ist. Verzweifelt versuchte ich, mich an jeden Augenblick zu erinnern, den wir gemeinsam verbracht haben, an all die gestohlenen Momente des Glücks, auf die wir kein Recht hatten. Ich büßte, ich geißelte mich blutig, aber ich bereute nichts, Rozenn, ich bereute nur, dass ich dich und Katarin verließ. Wenn mich das Gefühl der Einsamkeit überkam, dann musste ich weinen, während der Messe, während der Gebete oder der Psalmen, und es kümmerte mich nicht, was meine Konfratres dachten. Wenn das Stundengebet endete, quälte mich jedes Mal eine ungestillte Sehnsucht, eine innere Leere, die Gott nicht ausfüllen konnte. Nur du, Rozenn.
    Und Gott? Wo war er, als ich weinte? Als ich mich geißelte? Als ich auf Trost hoffte? Als ich verzweifelt betete, dass die Leiden enden mögen und dass ich meinen Seelenfrieden wiederfinde? Mir einzugestehen, dass er mich nicht hörte, hätte bedeutet, alles infrage zu stellen, meine Mönchsgelübde, meine Priesterweihe, meinen Glauben, mein ganzes Leben, das auf der Mönchsregel basierte: ›Es wird dir gelingen.‹
    Aber tat es das? Trotz des niederschmetternden Gefühls, jeden Tag aufs Neue zu scheitern?
    Und wo war Gott?
    Yann,
    meine Liebe zu dir wurde noch tiefer durch unsere Trennung. Die Sehnsucht ist das stärkste Gefühl von allen. Es ist stärker als jeder Sturm, der dein Leben wegtreibt vom vorbestimmten Kurs. Ich habe meinen Kurs verloren, Yann, und meinen Anker. Ich bin ziellos geworden, hoffnungslos und traurig. Denn mit dir habe ich den Sinn meines Lebens verloren, die Freude, die Sinnlichkeit und die Glückseligkeit, die ich in deinen Armen empfunden habe.
    Mein Schiff treibt haltlos durch einen endlosen Ozean. Ich bin den Gezeiten ausgeliefert, den Stürmen, den Strömungen, den Riffen und den Klippen. Rette mich, Yann, rette meine Seele! Lass mich nicht ertrinken in einem aufgewühlten Meer unstillbarer Gefühle.
    Ich würde alles dafür geben, wenn ich dich wieder in meinen Armen halten könnte, Yann, nur für einen Augenblick der Zärtlichkeit und des Begehrens. Mein ganzes Leben, das bisschen Lebendigkeit, das mir seit unserer Trennung geblieben ist, würde ich dagegen eintauschen. Du bist so wichtig für mich wie die Luft, die ich atme, wie die Sehnsucht nach dir, die mich um unserer Tochter willen weiterleben lässt, wie die Hoffnung, dich eines Tages wiederzusehen oder einen Brief von dir zu erhalten. Die Vorstellung, dass du hin und wieder an mich denkst, dass du dich in stillen Augenblicken an das Glück erinnerst, das wir gemeinsam erlebt haben, dass du dich danach sehnst, mich in den Armen zu halten, dass du das Begehren, das zwischen uns war, noch immer spüren kannst, nur diese Vorstellung hält mich noch am Leben.
    Auf dem Saint Michael’s Mount habe ich Gott meine ganze Liebe gelobt. Nie wieder wollte ich meinen Körper, meinen Verstand oder mein Herz, die allein Gott geweiht waren, einem anderen Menschen schenken. Die Sinnlichkeit, die ich nur mit der ›Disziplin‹ niederringen konnte, war immer noch da. Wie ein eigensinniges, unbezähmbares wildes Tier lauerte es auf den Augenblick der Schwäche, der Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Liebe. Die Gefühle, die sich wie ein Sturm in mir zusammenbrauten, erschreckten mich. Ich rang sie mit Gewalt nieder. Ich betete stundenlang, doch ich spürte Gottes Gegenwart nicht

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