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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Engelsgeduld, kehrt zurück und erinnert Aubert an sein Anliegen – und? Wieder keine Reaktion! Diese Bretonen sind hart im Nehmen. Als der zornige Erzengel den renitenten Bischof zum dritten Mal aufsucht, bohrt er ihm seinen feurigen Finger tief in den Schädel. Und der Bischof begreift, dass er sich besser nicht mit einem tobenden Erzengel anlegen sollte!
    Trotz meiner Anspannung muss ich schmunzeln. Ich blättere weiter und überfliege die Goldschrift auf purpurnem Grund.
    Im Jahr 708 legt Aubert den Grundstein zu einem ersten Oratorium auf dem schroffen Granitfelsen, auf dem der Erzengel mit seinen himmlischen Heerscharen gegen Satan kämpfte, ihn besiegte und in die Hölle hinabschleuderte. Nachzulesen in der Offenbarung des Johannes. Und in diesem Kodex, der jene apokalyptische Entscheidungsschlacht sehr anschaulich beschreibt.
    Diese erste Kapelle in einer Felsengrotte, ein mit Megalithsteinen geschmückter Kultplatz der Kelten, befand sich an der Stelle, wo heute die zugeschüttete und versiegelte Krypta Notre-Dame-sous-Terre liegt, über der schließlich die Abteikirche errichtet wurde. Wie Erzengel eben so sind, hilft Saint-Michel durch ein Wunder beim Wegräumen der beiden gewaltigen keltischen Menhire.
    Das nächste Bild zeigt zwei Mönche, die nach Italien wandern, um die Reliquie für das Sanktuarium vom Monte Gargano zu holen, wo sich in einer Felsengrotte das erste Heiligtum für San Michele befindet. Ein kleiner Fetzen des purpurnen Mantels des Erzengels wird auf den Mont-Saint-Michel gebracht.
    Ich blättere die Seite um und finde ein Bild der ersten zwölf Mönche der Abtei, die damals noch bretonisch war und erst später unter normannische Herrschaft kam.
    Als ich weiterblättere, erschrecke ich: ein Fluch!
    Verflucht seist Du, Diener des Satans,
der Du diese Worte liest!
Saint-Michel vernichte Dich
und werfe Deine gottlose Seele
hinab in die Feuer der Hölle.
    Dio mio! Die Schrift ist ein wenig verwischt und zerlaufen, das Pergament ein wenig wellig, als habe der Verfasser darauf gespuckt, um diesen Fluch zu besiegeln.
    Es ist üblich, dass Manuskripte, die nicht wie Gefangene angekettet sind, Verwünschungen enthalten, um Dieben ins Gewissen zu reden: »Denjenigen, der dieses Buch stiehlt, möge Gott der Allmächtige strafen, alle Erzengel und Engel und alle Heiligen der Kirche Jesu Christi. Amen.« Oder so ähnlich …
    Ich lege meine Hand auf die Seite, deren Schrift mit spitzer Feder mehrfach kreuz und quer durchgestrichen wurde, so stark, dass das Pergament an einigen Stellen aufgerissen ist. Anschließend wurden die Schrift und die wütenden Federstriche mit einem scharfen Messer oder einem Bimsstein weggeschabt und mit jenem Fluch in blutroter Schrift überschrieben. Am Rand hat ein Leser seinen ebenfalls weggekratzten Kommentar hinterlassen: »Wer die Wahrheit vernichtet, dient Satan! Verflucht seist du, Corentin!«
    Das darf doch nicht wahr sein! Welcher ignorante Trottel zerstört einen so kostbaren Kodex?
    Was könnte auf dieser Seite gestanden haben, das so gefährlich war, dass die Schrift zerstört und der Leser mit einem derart entsetzlichen Fluch belegt werden musste? Wieso, zum Teufel, wurde die Seite nicht einfach herausgerissen und verbrannt? Wer auf Pergament schreibt, muss doch wissen, dass Tinte niemals vollständig entfernt werden kann und dass die Schatten immer sichtbar bleiben.
    Im Gegenlicht ist die Schrift noch schemenhaft zu erkennen. Ich ziehe die Kerze heran, spüre unter meinen Fingern die durch den Bimsstein aufgerauten Stellen auf dem glatten Pergament und entziffere mühsam den Text.
    »Das gibt’s doch nicht!«
    Plötzlich zucke ich zusammen, als ich aus den Augenwinkeln wahrnehme, wie ein Schatten lautlos zwischen den Säulen des Scriptoriums hindurchhuscht.
    Mein Herz setzt einen Schlag aus, eine Hitzewelle durchströmt meinen Körper. Ehrlich gesagt, find ich’s hier so langsam ein bisschen gruselig.
    Ich taste nach dem Amulett um meinen Hals, das mir ein jüdischer Rabbi in Jerusalem gegeben hat. Die hebräischen Schriftzeichen auf dem silbernen Anhänger lauten: »Niemand muss sich fürchten, der Gott an seiner Seite weiß.« Daneben das Siegel Gottes, der sechszackige Stern aus zwei ineinander verschlungenen Dreiecken als Zeichen des lebendigen Gottes, der Stern Davids und Salomos. Auf der anderen Seite des Amuletts steht der verborgene Gottesname, der nicht ausgesprochen werden darf. Er besteht aus zweiundvierzig Buchstaben. Vor vier Jahren haben sie

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