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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Hoffnungen und Ängste? Italienisch? Lateinisch? Oder Hebräisch, worauf die Schreibweise von Harmagedon schließen lässt? Bevor er vor vielen Jahren konvertierte, war er in Verona ein jüdischer Rabbi gewesen – das hat er mir nach einem Stundengebet anvertraut. Er kannte Tora und Talmud, er wusste, was der entscheidende Kampf bedeutet: das Letzte Gericht, der Tag des Zorns, das Ende der Welt.
    Was, zur Hölle, ist das Testament des Satans?
    Und wieso wurde Vittorino ermor …
    Der Wind wird immer stärker, doch das Geräusch hinter mir stammt nicht von einer Bö!
    Das Portal des Dormitoriums fällt ins Schloss, der schwere Wollstoff einer Kukulle knattert im Wind wie ein loses Segel.
    Erstarrt halte ich den Atem an und lausche in das Tosen des Sturms.
    Da, ein Flüstern, ein ungeduldiges »Schscht! Sprich doch leiser!«
    Ich raffe meinen Habit, schwinge meine Beine über die Brüstung und husche in den Schatten des Kirchenportals fünf Schritte hinter mir.
    Haben sie mich bemerkt?
    Angespannt presse ich mich in die dunkle Nische neben dem Turm der Kirche und horche.
    Zwei Fratres, die trotz des Schweigegebotes vor dem Portal des Dormitoriums miteinander tuscheln. Einer von ihnen ist der Prior, Père Yvain. Aber wer ist der andere? Le Coz, der Alte, wie Conan ihn respektvoll auf Brezhoneg, auf Bretonisch, nennt? Conan verehrt den Alten wie einen Heiligen. Oder ist es Le Fur, der Weise?
    Ich verlasse meine Nische, lehne mich in den Wind und taste mich vor bis zur Ecke des Dormitoriums. Noch ein Stück weiter! Die Schulter an die moosüberwucherte Fassade gepresst wage ich mich noch ein bisschen vor und spähe um die Ecke zum Portal das Schlafsaals.
    Da sind sie! Sie stehen im Schatten, doch im diffusen Kerzenschein, der durch die Fenster fällt, kann ich sie schemenhaft erkennen. Frère Loïc, der als Significator Horarium die Nachtwache halten sollte, ist wohl noch immer eingenickt, sonst wären sie nicht an ihm vorbeigekommen. So wie ich. Und Conan, dessen Bett vorhin zerwühlt und verlassen war.
    Mit dem Rücken zu mir stehen die beiden an der Brüstung der kleinen Terrasse und blicken hinunter zum Klostergarten und zu den Befestigungsmauern an der steilen Nordflanke tief unter ihnen. Der Wind weht mir nur Fetzen eines hitzigen Streits entgegen. Das meiste kann ich nicht verstehen, aber eines höre ich ganz deutlich:
    »Alessandra muss sterben!«

Alessandra
Kapitel 3
    Im Scriptorium
Eine halbe Stunde nach Mitternacht
    Das Dröhnen der Kirchenglocke ist im Heulen des Sturms, der von Norden gegen die großen runden Fenster des Scriptoriums donnert, kaum zu hören. Das ganze Gebäude der Merveille scheint mit Getöse zu erbeben. Und da ist noch etwas, weit entfernt und sehr leise: ein Schluchzen, ein verzweifeltes Weinen.
    Mich schaudert, als ich mich an die Horrorgeschichten erinnere, die mir die Montois, die Einwohner des kleinen Dorfes zu Füßen der Abtei, gestern erzählt haben: In der Abbaye geschehen erschreckende Dinge. Keiner der Mönche wagt es, nachts die Kirche zu betreten, die Vigil wird deshalb in der Krypta Notre-Dame-des-Trente-Cierges abgehalten, in einem dichten Nebel aus Weihrauch. Seit dem Einsturz des Chors und der darunterliegenden Krypta der dicken Pfeiler geht Satan in der Abtei um. Mysteriöse Todesfälle geschehen, Menschen verschwinden spurlos, und in manchen Nächten ist unten im Dorf ein dämonisches Heulen aus der Abtei zu hören, »Ils sont complètement fous, ces moines – Die spinnen, die Mönche. Nehmt Euch in Acht, Madame! Morgen ist der Tag von Saint-Michel …«
    Yannic drückte sich ganz ähnlich aus. Er bezeichnete die Abtei als Ort irrealer Gelassenheit und verlogener Freude, die nur dazu dienen, die Furcht zu vergessen. Es werde immer unerträglicher. Von klösterlicher Stille habe er geträumt, als er sich entschloss, Mönch zu werden, von innerem Frieden. Er sollte seine Seele durchdringen, damit die Leidenschaft verstummen und er die Stimme Gottes hören könne. Aber davon sei er weit entfernt – zu aufgewühlt, zu misstrauisch, zu ängstlich.
    Als das Tosen des Sturms ein wenig nachlässt, kann ich das leise Schluchzen deutlich hören. Woher kommt es? Beide Türen des Scriptoriums stehen offen, die zu den Krypten unterhalb der Abteikirche und die zur Galerie, durch die vorhin der Assassino entkommen ist.
    Einen Augenblick lang starre ich die flackernde Kerze vor mir auf dem Lesepult an. Tief durchatmend taste ich nach dem Ring des Salomo an meinem Finger und wende

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