Das Testament des Satans
Arkadenbögen die Knochen der Mönche aufbewahrt werden, ist dunkel. Und so gruselig, dass ich mich, wie in meinem Traum, immer wieder umsehe, ob mich nicht doch eine kalte Knochenhand von hinten packt.
Das flackernde Licht meiner Kerze wirft riesige Schatten, die über die Wände huschen. Die Totenschädel mit den leeren Augenhöhlen, die mir im Flackerlicht der Kerze und der Blitze zuzuzwinkern scheinen, sind zusammen mit den ausgebleichten Knochen in den Wandnischen zu Ornamenten aufgestapelt. Kreuze und Buchstaben: Alpha und Omega. Der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets stehen in der Apokalypse des Johannes für den Anfang und das Ende. Sie sind Symbole des auferstandenen Christus als Richter. Der Erzengel Michael geleitet die von ihm gewogenen Seelen zum Jüngsten Gericht.
Anders als in den Katakomben in Rom pocht mir das Herz vor Grauen bis zum Hals. In den Katakomben herrscht eine tiefe Grabesstille, doch hier heult der Sturm wie eine Meute losgelassener Dämonen. Und da ist wieder dieses herzzerreißende Weinen, ganz leise. Ist das Conan?
Schließlich stelle ich die Kerze auf den Boden. Die Totenschädel bewegen sich nun nicht mehr, die Knochen haben aufgehört zu klappern. Dafür zerbirst mit einem Donnerhall der Himmel. Kein Wunder, dass die Kelten fürchteten, ihnen könnte der Himmel auf den Kopf fallen.
Einmal kurz durchatmen, dann weiter!
Während der Donner noch polternd grollt, taste ich mich an einer Mauer entlang. Als meine Finger ein Spinnennetz berühren, zucke ich wie aufgescheucht zusammen. Nicht, dass ich Angst vor Spinnen habe. Ich finde sie genauso ekelig wie Fledermäuse oder Ratten. Aber die düstere Stimmung hier kostet mich den letzten Nerv. Da fehlt doch nur noch eine große Blutlache und eine zerfetzte Leiche, wie damals in Rom.
Da, ein Geräusch!
Ich bleibe stehen und lausche.
..... .... .. ....... .. ...... .. .. . ........
Was ist das?
.... ... ...... . .... .. ... ...... ...
Da, schon wieder!
Ein leises Rascheln, ein Kratzen. Es war ganz sicher nicht der Sturm. Als einer der Totenschädel neben mir ruckt, schnappe ich keuchend nach Luft. Beinahe hätte ich vor Schreck geschrien! Was ist dort?
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Reiß dich zusammen, Sandra!
Über mir raschelt es schon wieder.
.... ... .... ......... .... ...
Ist das Tyson, der durch die Abtei streunt?
In dem Augenblick als ich meinen Kopf hebe, um hinaufzusehen, landet ein pelziges Wesen in meinem Gesicht und klammert sich daran fest. Igitt, eine Maus!
Mit beiden Händen wische ich mir das Tier vom Körper. Es fällt auf den Boden und flitzt in die Finsternis zwischen den Gebeinen.
Sobald sich mein Herzrasen einigermaßen beruhigt hat, gehe ich weiter. Behutsam, um ja gegen keinen Knochen zu stoßen, spähe ich in alle Gewölbenischen. Die meisten sind bis zum Schlussstein mit Gebeinen angefüllt. Doch Vittorinos sterbliche Überreste kann ich nirgendwo entdecken. Er ist seit vier Monaten verschwunden – er kann noch nicht vollständig zerfallen sein. Es riecht muffig und staubig, nach Gruft und Tod. Aber es stinkt nicht nach Verwesung. Und es gibt keine Fliegen. Eines ist sicher: Hier ist Vittorino nicht!
Also gehe ich zurück in die Totenkapelle. Mit der Kerze in der Hand bleibe ich vor dem Granitsarkophag stehen. Ob er da drin ist, wie in meinem Horrortraum?
Ich stelle meine Kerze auf den Altar und lehne mich mit aller Kraft gegen die Granitplatte. Es knirscht. Sie ruckt! Also noch einmal! Mit einem Rumpeln, das durch die Kapelle hallt, gleitet die Platte eine Handbreit zur Seite. Ein entsetzlicher Gestank entweicht dem Sarkophag, wie von verfaulten Veilchen. Ich verhülle mein Gesicht mit einem Tuch, hole die Kerze vom Altar und luge durch den Spalt, wobei ich nur ganz flach atme.
Ein Leichnam. Ein Gewand aus schwarzem Wollstoff.
Erschüttert blicke ich in den Sarkophag und halte den Atem an, um die mit Moder und giftigem Schimmel verpestete Luft nicht einzuatmen.
Das Gesicht … der Blick lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Der aufgerissene Mund ist im Todesschrei erstarrt, den ich noch immer zu hören glaube.
Ist das Vittorino?
Yannic
Kapitel 20
In der Abteikirche
Gegen halb zwei Uhr nachts
Das verzweifelte Weinen dringt von dem Seitenportal im südlichen Querschiff zu mir. Ich haste hinüber, schiebe es auf und spähe hinaus auf die Terrasse vor der Abteitreppe. Sie ist verlassen.
Ich trete in den Sturm hinaus, lasse das Portal hinter mir
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