Das Testament des Satans
Leiche. Das magische Symbol, der kryptische Text und das Blutopfer sind gewiss ihr Todesurteil.
Die Inquisitoren sind gescheitert, aber wir werden sie bezwingen! Das Geheimnis wird gewahrt bleiben!, beruhigt er sich selbst.
Er setzt seine Ledermaske wieder auf, zieht die Kapuze seiner Kukulle hoch und hält sie mit der Hand unter dem Kinn zusammen, damit der Sturm, der im Heckenlabyrinth tobt, sie ihm nicht vom Kopf weht.
Mit gesenktem Blick huscht er zum Portal des Refektoriums, dann geht er über die Treppe der Merveille in den Gästesaal hinunter – dort wird Alessandra das Buch der Geheimnisse versteckt haben.
Die dunkle Gestalt, die sich aus den Schatten des Kreuzgangs löst, um ihm zu folgen, bemerkt er ebensowenig wie die scharfe Klinge, die im grellen Licht der Blitze gleißt und funkelt wie feingeschliffenes Glas.
Yannic
Kapitel 32
Auf der Plattform des eingestürzten Westflügels
Einige Minuten nach zwei Uhr nachts
Die ganze Nacht erscheint mir wie ein wirrer Traum, als ich Conans Leichnam anstarre, ein Horrorwahn, aus dem es kein Erwachen gibt. Ich schüttele entsetzt den Kopf. »Hol die anderen, Padric!«
Verstört zeigt mein Freund auf die Blutschrift ›hoc arcanum sacerdotis – das Geheimnis des Priesters …‹ neben dem rätselhaften Symbol. »Aber …«
»Sofort!«
»Ist gut!« Und weg ist er.
»Robin, hilf mir mal!«
»Aye, Mylord. Aber was hast du vor?«
»Wir müssen die Blutschrift verwischen.«
»Aber wieso?«
»Na, dann lies sie doch!«
Seine Lippen bewegen sich, als er wispernd den lateinischen Spruch entziffert. Er beherrscht das Lateinische nicht sonderlich gut. Aber dafür reicht es. »Verdammter Mist!«
»Du sagst es. Geoffrey und die anderen waren von rätselhaften Zeichen umgeben. Ihre Leichen waren grausam zerfetzt, ihre Schädel zertrümmert, wie von einer Bestie mit scharfen Krallen. Aber bei Conan ist es anders. Das Sigillum Dei und die Blutschrift weisen ja wohl eher auf eine Satansmesse hin.«
»Bloody hell!« Robin kniet sich neben mich und reibt mit dem Saum seines Gewandes auf den blutigen Buchstaben herum, um sie unleserlich zu machen. »Aber das ist Wahnsinn!« Er schüttelt verzweifelt den Kopf und blickt mich an. »Oh, Yann, in was bist du da bloß hineingeraten! Du wirst sterben, wie Conan!«
Ich ziehe Conans Amulett hervor und zeige ihm das Bildnis des Erzengels, auf dessen Schutz vor den Mächten des Bösen unser Freund vertraute.
In diesem Augenblick stürmt Yvain mit flatternder Kukulle auf die Plattform und prallt mit Padric zusammen, der gerade erst die Tür erreicht hat. Der Prior stößt ihn grob zur Seite und kommt zu Robin und mir herüber, während die anderen Brüder nacheinander die Plattform betreten und mit entsetzten Gesichtern, bleich wie Hostien, vor dem Leichnam stehen bleiben und sich bekreuzigen.
»Gütiger Gott!«
»Der Herr sei uns gnädig!«
»Seht euch das an!«
Ich schiebe die Münze unter mein Skapulier, stehe auf und helfe Robin auf die Beine. Der ganze Berg scheint unter der Wucht des Sturms zu beben. Die heftigen Windstöße lassen meine Kukulle knattern wie ein loses Segel. Ich nicke dem Prior knapp zu. »Père Yvain.«
Frère Raymond drängt mich zur Seite und übergibt sich. »Herr im Himmel!«, ächzt er. Raymond war mit Conan eng befreundet, er war sogar einmal zu Gast bei Conans Frau Youenna und seinem kleinen Sohn Ronan.
»Père Yann«, raunzt mich der Prior nach Raymonds Auftritt an, während er den verhassten Engländer nur mit einem verächtlichen Seitenblick bedenkt: »Frère Robin.« Dann wendet er sich wieder an mich. Sein Blick ist tödlich. Ich frage mich, ob ich nicht besser gleich hier tot umfallen sollte – es würde ihm die blutige Drecksarbeit ersparen. »Père Yann, ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt«, fegt mir eisig der Wind um die Ohren. »Ihr solltet mich verständigen, sobald Ihr die Leiche gefunden habt, nicht nachdem Ihr den Mord aufgeklärt habt!«
»Père Yvain, ich ha …«
»Père Yann, ist Euch eigentlich klar, wie Ihr jetzt vor den Brüdern dasteht? In Eurem blutbefleckten Habit?«, droht er mir ganz unverhohlen und richtet sich dabei auf wie ein wuchtiger Menhir, der gleich mit Getöse umstürzt und mich unter sich begräbt. »Mit beiden Händen in Frère Conans Blut, um die Spuren zu verwischen? Père Yann, wie konntet Ihr!«
Er lässt mich stehen und geht zu Conan hinüber, um mir Zeit zu geben, in Ruhe darüber nachzudenken, ob ich den Mordanschlag auf mich nicht
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