Das Testament des Satans
mich loszulassen, bekreuzigt er sich mit schleppenden Bewegungen. »Herr, schenke ihm dein Erbarmen. Und uns allen. Diese Abtei ist das Schlachtfeld des Teufels.«
Padric kniet neben uns nieder und schlägt erschüttert die Hände vor die Lippen, als er im Lodern der Blitze das Sigillum Dei aus Conans Blut entdeckt. »Das kann doch nicht sein!«, brüllt er gegen den Sturm an und blickt zu mir hoch. »Wie kann ein Mensch so abgrundtief böse sein!« Er dreht sich zu mir um und blickt mich mit aufgerissenen Augen an. »Conan war unser Freund! Robin hat recht: Er wurde geschlachtet und ausgeblutet, wie ein Lamm auf einem Opferaltar. Ein Blutopfer für Satan!« Er schluckt. »Yannic … es tut mir so leid!«
Ich raffe den blutigen Saum meines Habits und knie neben Conan nieder. Im Licht der Blitze glänzt etwas um seinen Hals. Ich schiebe die Stofffalten des Skapuliers zur Seite und ziehe eine Kette hervor. Etwas glänzt matt in meiner Hand. Eine Münze, die sehr alt zu sein scheint. Ich halte sie ins Licht. Sie zeigt das Bild des Erzengels in Helm und Harnisch und mit dem Flammenschwert in der Hand. Unter seinem rechten Fuß zertritt Arc’hael Mikael den Satan.
Die ganze Nacht kommt mir vor wie ein schrecklicher Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Ich schüttele entsetzt den Kopf und starre das Amulett an.
Bevor er die Hölle betrat, in die ich ihm nicht folgen sollte, bevor er Selbstmord beging, um anschließend ermordet zu werden, hat Conan sich mit dieser Münze gegen den Teufel gerüstet. Was hat er im Todesringen gesehen? Was war das letzte Grauen vor seinem Ende?
Ich blicke auf. »Hol die anderen, Padric!«
Verstört zeigt mein Freund auf die Blutschrift neben dem rätselhaften Symbol. »Aber …«
»Sofort!«
»Ist gut!« Und weg ist er.
Ich hänge mir Conans Amulett um den Hals. »Robin, hilf mir mal!«
»Aye, Mylord. Aber was hast du vor?«
Ich sage es ihm.
»Bloody hell!« Umständlich hockt er sich neben mich – sein steifes Bein bereitet ihm Schmerzen. »But this is utter madness!« Er schüttelt den Kopf. »Oh, Yann, in was bist du da bloß hineingeraten! Du wirst sterben, wie Conan!«
Alessandra
Kapitel 31
Im Eichenwäldchen an der Nordflanke
Kurz nach zwei Uhr nachts
Plötzlich, unter meinen Fingern – was ist das? Da zwischen den Wurzeln?
Ein grauenvoller Anblick! Eine halb abgenagte Hand ragt aus einem mit Flechten überwucherten Felsspalt.
Mit einem erstickten Schluchzen falle ich zwischen den Eichen auf die Knie, nestele mein Feuerzeug aus der Zunderdose und versuche, den Kerzenstummel zu entzünden. Doch keine Chance, einen Funken in den Zunder zu schlagen – der mit winzigen, wie Puder wirbelnden Eiskristallen durchsetzte Sturm ist zu stark!
Ich ziehe das Tuch vor das Gesicht. An der Hand und dem Arm entlang taste ich mich nun nach unten vor. Die Knochen und das verweste Fleisch zu berühren kostet mich eine ziemliche Überwindung. Ob ich Vittorino gefunden habe, kann ich nicht einmal sagen. Der Leichnam ist zu stark verwest.
An der Luft, den Elementen ausgesetzt, verwest ein Körper schneller als in einer Gruft. Das Stadium, das Geoffrey in seinem Sarkophag gerade erlebt, hat er längst hinter sich: Er ist schon in einen tieferen Höllenkreis hinabgestiegen.
Ich beuge mich über den Felsspalt und schiebe meinen Arm bis zur Schulter hinein, kann jedoch kein Notizbuch ertasten. Ameisen krabbeln mir über die Hand und den Arm hinauf bis in den Ärmel meines Hemdes. Ich schüttele sie ab.
So geht es nicht, der Spalt ist zu tief.
Gerade als ich hinunterspähe, taucht ein Blitz die Nische in fahles Licht. Die Haut des Gesichts ist zu einer grauenhaften Totenfratze verzogen, die zu mir heraufzuschauen scheint.
Ich muss ihn herausziehen. Ich packe das skelettierte Handgelenk, ziehe daran – und kippe nach hinten. Der abgetrennte Arm fällt neben mir zwischen die Wurzeln.
Ich setze mich auf und betrachte ihn verwirrt. Nein, das darf doch nicht wahr sein! Und doch …
Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Der Assassino hat den Mann, der wie ein zweiter Vater für mich war, in Stücke gehauen, um ihn in den Felsspalt zu zwängen.
Wie Brennholz fürs Höllenfeuer!, denke ich schaudernd.
Wenn ich vorher noch nicht so richtig in Rage war – jetzt bin ich es! Ich bin so zornig, traurig und frustriert, dass ich weinen muss, ich kann nicht anders. »Ich werde dich rächen, Vittorino«, presse ich hervor. »Das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe.«
Nach einer Weile
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