Das Testament eines Excentrischen
gefunden und gemäßigten Klimas.
Sein Boden erzeugt im Ueberfluß Weizen, Hanf und Tabak, der dem von Virginia mindestens gleichkommt. In der Mitte des Landes eignet es sich mehr für die Maiscultur und im Süden für den Anbau von Baumwolle und Reis. Abgesehen von der Ausbeutung seiner ungeheueren Wälder, bieten hier Eisen-und Bleibergwerke, Marmorbrüche, Goldadern und Ockerlager der Industrie lebhafte Beschäftigung. Während der Winter außerordentlich mild auftritt, herrscht im Juni oft eine sehr starke Wärme. Schon vom Februar an erwacht gewöhnlich die Vegetation, und die Sprossen der Ahornbäume zeigen dann bereits die Spitzen ihrer rothen Blüthen.
Harris T. Kymbale kannte Charleston noch nicht, die Stadt, der der traurige Ruf, der Hauptsitz der Sclavereifreunde zu sein, anhaftet. Ihre Lebenszähigkeit ist so stark, daß sie trotz einer Reihe furchtbarer Katastrophen, trotz der Verwüstungen, denen sie mehrfach durch Feuer, Wasser und Erdstöße und nicht wenig auch durch das Gelbe Fieber ausgesetzt war, ihrer Zerstörung oder ihrem Niedergange immer hartnäckig widerstanden hat.
Auf einer niedrigen Halbinsel zwischen den seichten Mündungen des Ashtley und des Cooper und im Hintergrunde eines Hafens mit zwei Eingängen erheben sich, zwischen Alleen und Quaianlagen, das Handelsviertel Charlestons und seine Wohnhäuser, die alle mit Veranden versehen und von Magnolien, Granat-und üppig grünen Zedrachbäumen beschattet sind. Etwas außerhalb, auf Eilanden und vorspringenden Landspitzen, liegen mehrere Festungswerke, darunter das Fort Moultrie, das eines der Arsenale der Union und Südcarolinas bildet.
Der Quais von Charleston.
Der Hauptberichterstatter der »Tribune« war und blieb das gehätschelte Glückskind. Keine Ueberschwemmung, keine Feuersbrunst, kein Erdbeben suchte Charleston heim, als er hier angekommen war, nicht einmal eine Epidemie von
Vomito negro
machte sich bemerkbar. Die wegen der Vornehmheit ihrer Sitten und der Höflichkeit ihrer Bewohner allgemein bekannte und geschätzte Stadt zeigte sich ihm also im vollen Glanze. Gewiß sollten die wenigen Tage, die das Geschick ihm hier zu verweilen erlaubte, seinem Gedächtnisse niemals entschwinden.
Wollte man sagen, daß Harris T. Kymbale hier mit Begeisterung empfangen worden wäre, so bliebe das hinter der Wahrheit zurück, es verband sich damit vielmehr eine Art Delirium bezüglich des Partners, den die Stadt als den Auserkorenen von den »Sieben« ansah. Die anderen zählten gar nicht mit. Für die Charlestoner gab es nur einen einzigen… den, den der Wurf von zehn Augen ihnen zugesendet hatte. Was die Millionen des seligen Hypperbone betraf, so war es so gut, als hätte er sie bereits in der Tasche.
Achtundvierzig Stunden lang drängte eine Einladung die andere, ohne daß der populäre Reporter sie ablehnen konnte, ebensowenig wie kleine Ausflüge in die Umgebung, wo die Orangen im Freien wachsen. An den von auffallenden Placaten bedeckten Mauern prangte der Name Harris T. Kymbale’s in leuchtender Schrift und am Abend in großen, durch elektrische Glühlampen gebildeten Buchstaben.
Ein so ausgezeichnet aufgenommener Gast nahm gegen die Stadt eine große Schuld der Dankbarkeit auf sich. Er beabsichtigte auch, wenn er die Partie gewönne – so erklärte er – in Charleston ein Hospiz für arme Leute ohne Familie zu gründen. Hier ist auch einzufügen, daß eine Menge von Bedürftigen bei der zuständigen Behörde ihre Namen vormerken ließ, um sich die ersten Plätze in jener wohlthätigen Anstalt zu sichern. Man sieht, der zukünftige Gewinner zeigte sich in Charleston in Südcarolina noch freigebiger und edler als in Denver in Colorado.
Inmitten aller jener Festlichkeiten kam der Abend des 3. Juni heran. Vermittelst freiwilliger Zeichnung war ein glänzendes Bankett vorbereitet worden. Es sollte unter dem prächtigen Baumschatten etwas vor der Stadt nach der Mündung des Ashtley zu stattfinden. Die Menge der Theilnehmer begab sich dahin in großartigem Aufzuge mit flatternden Fahnen, die die Farben unseres Helden des Tages zeigten. Wir können hier nicht näher auf diese Schmauserei eingehen, da es doch unmöglich wäre, eine richtige Vorstellung von der Mannigfaltigkeit der Speisen oder von dem Prunk der Tafelausstattung zu erwecken.
Genüge es zu wissen, daß das Hauptgericht aus einer ungeheueren, achttausend Pfund schweren Pastete bestand, die in einem riesigen Ofen gebacken worden war und auf einem von zwölf
Weitere Kostenlose Bücher