Das Testament eines Excentrischen
etwas empfindlicher Natur.
Missouri ist einer der wichtigsten Staaten der amerikanischen Republik, seiner Größe nach zwar nur der siebzehnte, seiner Bevölkerungszahl nach aber der fünfte, und seiner Ausbeute an Zink nach gar der erste. Im Süden und Westen nur durch Längen-und Breitengrade begrenzt, strömen im Norden und Osten von ihm der Mississippi und der Missouri, die sich oberhalb von Saint-Louis an der Ecke vereinigen, wo sich die kleine Stadt Columbia erhebt. Man kann sich leicht vorstellen, wie günstig diese beiden Wasserstraßen den Handel der Metropole, die Ausfuhr von Getreide und Mehl, die von Hanf, der hier im Großen angebaut wird, und die Aufzucht von Schweinen und Hornvieh beeinflussen müssen. An Metallen, vor allem an Blei-und Zinklagern, fehlt es ihm auch nicht. In der Grafschaft Washington erheben sich die Iron Mountains (Eisenberge) und der Pilot Kirol, gewaltige, dreihundert Fuß hohe Erzmassen, bezüglich derer es den Amerikanern vielleicht noch einmal einfallen dürfte, sie in zwei Elektromagnete von ungeheurer Wirkung zu verwandeln.
Der Staat Missouri bildete früher nur einen Bezirk von Louisiana, ist aber seit seiner Aufnahme in die Union (1821) selbstständig geworden Saint-Louis selbst war 1764 von Franzosen gegründet worden.
Von diesem Staate wären nicht weniger als elf Städte wegen ihrer Bedeutung für Handel und Industrie zu nennen, und drei davon zählen schon über hunderttausend Seelen. Die eine, Kansas, gegenüber dem zum gleichnamigen Staate gehörenden Kansas City, war schon, wie wir wissen, von Max Real bei seiner ersten Reise besucht worden, als er den Missouri bis zu dieser Doppelstadt hinabfuhr. Es giebt aber auch noch andere, wie Jefferson City, den Regierungssitz des Staates, das wegen seiner malerischen Lage auf einer das Missourithal beherrschenden Terrasse die Aufmerksamkeit der Touristen in hohem Grade verdient.
Die erste Stelle nimmt indeß Saint-Louis ein, das sich zehn Meilen (16 Kilometer) weit am Ufer des großen Stromes hinzieht. Diese Metropole hieß ehemals Mount City, weil sie von einer Kette weißer Kalksteinberge umgeben ist. Ihre Bodenfläche ist um ein Viertel größer als die von Paris, und dabei sind mit ihr halb verwachsene städtische Gemeinwesen, wie East-Saint-Louis. Brooklyn, Cahokia und Prairie du Port, die freilich zum Staate Illinois gehören, noch nicht einmal eingerechnet.
Das war also die Stadt, die das frühere Mitglied des Excentric Club für die Theilnehmer am Match zum Gefängniß – das freilich die ganze Stadt umfaßte – ausersehen hatte. Von einer Einkerkerung in geschlossene Mauern war dabei natürlich keine Rede. Nein, Lissy Wag brauchte keine Gemeinsamkeit mit Verbrechern zu fürchten, Jovita Foley und sie sollten ihrer Freiheit nicht verlustig gehen. Sie behielten volle Bewegungsfreiheit in der schönen Stadt mit achtzehn Parken, von denen einer nicht weniger als fünfundfünfzig Quadratkilometer (fast eine geographische Quadratmeile) mißt.
Die beiden Freundinnen hatten sich also ein Unterkommen zu suchen, und am Nachmittage des 11. bezogen sie zusammen ein Zimmer im Cleveland Hotel.
»Na, da wären wir ja in dem schrecklichen Gefängniß, rief Jovita Foley, doch ich gestehe, für ein schreckliches Gefängniß erscheint mir Saint-Louis sehr angenehm.
– Ein Gefängniß bleibt es dennoch, Jovita, so lange einem nicht erlaubt ist, es zu verlassen.
– O sei nur ruhig, mein Schatz, wir kommen beizeiten wieder heraus!«
Jovita Foley hatte – zugleich mit ihrem natürlichen Frohsinn – seit der Zusendung der dreitausend Dollars ihre frühere Zuversicht gänzlich wiedergewonnen. Das verdankte sie dem wackeren Humphry Weldon, und noch an demselben Tage war der Erlös aus dem Check an die Ordre des Meisters Tornbrock in Chicago eingesendet worden.
Dieselbe Zuversicht erfüllte bis jetzt freilich noch nicht wieder die Kreise der Wettlustigen und die Vertreter der Agenturen. Obwohl die Tageszeitungen von Saint-Louis die Anwesenheit der fünften Partnerin im Cleveland Hotel gemeldet hatten, stellte sich kein Interviewer hier ein. Was konnte man auch von Lissy Wag erwarten, die das Pech gehabt hatte, in das Feld von Missouri zu gerathen?
Und doch sollte diese Hast vielleicht eher, als jemand erwartete, zu Ende sein. Morgen am 12. wurde ja wiederum gewürfelt und das wiederholte sich bekanntlich alle zwei Tage.
»O, wer weiß… wer weiß?« rief Jovita Foley in einem fort.
Die beiden Freundinnen benutzten nun ihre
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