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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und die Gewandtheit des Affen.
    »Tom Crabbe?… fragte man ihn.
    – Der vollendet eben sein erstes Frühstück, antwortete eine scharfe Stimme.
    – Können wir ihn sehen?
    – Um was handelt es sich?
    – Um das Testament William I. Hypperbone’s; auch wollten wir von ihm in unserer Zeitung sprechen.
    – Ah, wenn von Tom Crabbe öffentlich die Rede sein soll, ist er immer zu sprechen.«
    Die Reporter traten in das Speisezimmer ein und sahen sich hier dem Gesuchten gegenüber. Er verschlang eben die sechste Schnitte rohen Schinkens, die sechste Scheibe Butterbrot, die sechste Pinte Halb und Halb in Erwartung des Thees, der in einem großen Kessel angesetzt war, und die sechs Gläschen Wisky, die gewöhnlich sein erstes Frühstück abschlossen, welches er früh halb acht Uhr verzehrte und dem im Laufe des Tages noch fünf andere regelmäßige Mahlzeiten folgten. Man erkennt hieraus schon die hervorragende Rolle, die die Zahl sechs im Leben des berühmten Boxers spielte, und vielleicht war es deren geheimer Einfluß gewesen, dem er seine Zugehörigkeit zur Gruppe der Erben William I. Hypperbone’s verdankte.
    Tom Crabbe war ein Koloß, zehn Zoll über sechs englische Fuß hoch und drei Fuß von einer Schulter zur andern breit. Er hatte einen großen Kopf mit straffem schwarzen Haar, das auf dem Schädel fast ganz glatt weggeschoren war, unter dichten Brauen runde, glotzende Augen, eine niedrige, stark abfallende Stirn, abstehende Ohren, mächtige Kiefer, einen starken, an der Verbindungsstelle der Lippen abgeschnittenen Schnurrbart, noch alle seine Zähne, denn auch die heftigsten Faustschläge hatten keinen davon in ihrer Grube lockern können, einen Brustkasten wie eine Biertonne, Arme wie Bläuelstangen und Beine wie Granitpfeiler, die auch nothwendig waren, dieses gewaltige menschliche Bauwerk sicher zu tragen.
    Menschliche?… Ist das richtig?… Nein, thierische, denn aus der ganzen riesigen Erscheinung sprach etwas Thierisches. Seine Organe fungierten wie eine Maschine die man in Gang gesetzt hatte – eine Maschine, deren Mechaniker John Milner war. Berühmt in Nord-und in Südamerika, kümmerte er sich doch kaum um seine Berühmtheit. Essen, trinken, boxen, schlafen, darum drehte sich, ohne jede geistige Thätigkeit, sein ganzes Dasein. Begriff er wohl, was der Zufall für ihn gethan hatte, als er ihn der Gruppe der »Sechs« angliederte? Wußte er, zu welchem Zwecke er gestern unter dem Zujauchzen der Volksmenge mit dröhnend schwerem Schritte neben dem Leichenwagen her getrottet war?… Vielleicht ein wenig; sein Traineur wußte es dafür aber um so besser, und würde auch später wissen, alles zum eignen Vortheil mit auszunutzen, was jener diesem Glücksfall etwa verdankte.
    Es folgt hieraus, daß es John Milner war, der die Fragen der Reporter bezüglich Tom Crabbe’s beantwortete. Er gab diesen Aufschluß über alle Einzelheiten, die für die Leser der »Freien Presse« von Interesse sein konnten: über das Gewicht des Mannes – fünfhundertdreiunddreißig (amerikanische) Pfund vor dem Essen und fünfhundertvierzig nachher – über seinen Taillenumfang von genau sechs Fuß zehn Zoll, über seine Körperkraft, die am Dynamometer gemessen fünfundsiebzig Meterkilogramm, das heißt eine Pferdekraft, erreichte, über die Kraft, mit der er die Kiefer zusammenpressen konnte, gleich zweihundertvierunddreißig Pfund, über sein Alter: dreißig Jahre sechs Monate und siebzehn Tage, über seine Eltern, den Vater, der Packer oder Schlächter im Hause Armour, und über die Mutter, die öffentliche Ringkämpferin im Cirkus von Swansea gewesen war. Was brauchte es mehr, um einen Artikel von hundert Zeilen über Tom Crabbe zu schreiben?
    »Er spricht ja kaum ein Wort, bemerkte einer der Journalisten.
    – Ja, so wenig wie möglich, antwortete John Milner. Wozu sollte es auch dienen, sich die Zunge abzunutzen?
     

    Lissy wollte von einem Interview einmal nichts wissen.(S. 59.)
     
    – Vielleicht… denkt er auch nicht viel mehr?…
    – Was könnte ihm das Denken nützen?…
    – Freilich… freilich… wohl nichts, Herr Milner.
    – Tom Crabbe ist weiter nichts als eine Faust, setzte der Traineur hinzu, eine geschlossene Faust und gleich bereit zum Angriff wie zur Abwehr!«
    Die Reporter der »Freien Presse« zogen sich hierauf zurück.
    »Das reine Thier!… meinte der eine, als sie auf der Straße waren.
    – Und was für ein Thier!« antwortete der zweite.
    Natürlich meinten sie damit John Milner

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