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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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abgezogen waren, Deine Thür hast Du ja verschanzt, der öffentlichen Aufmerksamkeit wirst Du aber darum doch nicht entgehen. Ah, wenn ich es gewesen wäre!… Und das sage ich Dir im voraus, Lissy, ich werde Dich zu zwingen wissen, allen Bedingungen des Testaments nachzukommen. Bedenke doch, meine Beste… dieser Antheil an einem fast unerhörten Vermögen…
    – O, an diese Erbschaft glaub’ ich blutwenig, liebe Jovita, erwiderte Lissy Wag, und wenn es sich dabei nur um den tollen Einfall eines überspannten Spaßvogels handelt, wird es mir keine großen Schmerzen machen.

    – Daran erkenne ich meine Lissy, rief Jovita Foley, sie an sich heranziehend, keine Schmerzen, wo von einem solchen Vermögen die Rede ist…
    – Sind wir beide denn nicht glücklich?…
    – Zugegeben, doch wenn ich es gewesen wäre!… wiederholte das ehrgeizige junge Mädchen.
    – Nun… und wenn Du es wärst?…
    – Da würde ich zuerst mit Dir theilen, Lissy…
    – Ganz wie ich es selbstverständlich thun würde! antwortete Miß Wag, die über die in der Luft schwebenden Versprechungen ihrer Freundin lachen mußte.
    – Du, mein Himmel, wenn’s nur erst der 15. April wäre! rief Jovita Foley. Wie lang wird mir die Zeit bis dahin werden!… Ich zähle schon die Stunden… die Minuten…
    – Verschone mich nur mit den Secunden! fiel ihr Lissy ins Wort. Wahrlich, das wären ihrer zu viele!
    – Kann man noch scherzen, wo es sich um eine so ernste Angelegenheit handelt… um Millionen von Dollars, die dabei ins Spiel kommen…
    – Oder eher Millionen von kleinen Aergernissen, von Beschwerden, wie ich sie schon diesen ganzen Tag gekostet habe! erklärte Lissy Wag.
    – Du bist zu empfindlich, Lissy!
    – Und siehst Du, Jovita, ich frage mich immer, womit die Sache enden werde…
    – Ei, die endet mit dem Ende, rief Jovita Foley, ganz wie alle Dinge dieser Welt!«
    Das war also die sechste der Miterben – niemand zweifelte ja daran, daß diese sich in die ungeheuere Hinterlassenschaft theilen sollten – die William I. Hypperbone zu seinem Begräbniß eingeladen hatte. Diese unter allen bevorzugten Sterblichen brauchten sich nur vierzehn Tage in Geduld zu fassen.
    Endlich verstrichen die zwei langen Wochen… der 15. April kam heran.
    An diesem Morgen legten, entsprechend der letztwilligen Vorschrift und in Gegenwart Georges B. Higginbotham’s und des Notars Tornbrock, Lissy Wag, Max Real, Tom Crabbe, Hermann Titbury, Harris T. Kymbale und Hodge Urrican ihre Karten auf den Sarg William I. Hypperbone’s nieder. Dann wurde der Deckel über die Ruhestätte gelegt. Der excentrische Entschlafene hatte nun auf dem Oakswoodsfriedhofe keine Besucher mehr zu empfangen.

Fünftes Capitel.
Das Testament.
    Am 15. April war das neunzehnte Quartier von ganz früh an von Menschen überfüllt. Der Andrang der Menge schien thatsächlich ebenso groß zu werden wie damals, als der endlose Leichenzug William I. Hypperbone nach seiner letzten Wohnstätte geleitete.
    Die dreizehnhundert täglichen Bahnzüge Chicagos hatten schon am Tage vorher viele tausend Fremde nach der Stadt befördert. Das Wetter versprach herrlich zu werden. Ein frischer Morgenwind hatte den Himmel von den Dünsten der Nacht gesäubert. Die Sonne schwebte lachend über dem fernen Horizonte des Michigansees, der an der Oberfläche leichte Wellenstreifen zeigte und dessen Brandung wie spielend das Ufer koste.
    Durch die Michigan Avenue und die Congreß Street wälzte sich der brausende Menschenstrom einem ungeheueren Gebäude zu, das an einer Ecke ein dreihundertzehn Fuß hoher viereckiger Thurm überragte.
    Die Liste der vornehmeren Gasthäuser der Stadt ist ziemlich lang. Dem Reisenden wurde deshalb die Wahl recht schwer. Doch wohin ihn die Cabs für je fünfundzwanzig Cents die (amerikanische) Meile auch führen mochten, nie kam er in die Verlegenheit, keinen Platz zu finden. Ein in europäischer Weise ausgestattetes Zimmer erhielt er für den Tagespreis von zwei bis drei, eins in amerikanischem Geschmack für den von vier bis fünf Dollars.
    Unter den Hôtels ersten Ranges nennt man das Palmer House in der State and Monroe Street, das Continental in der Wabash Avenue and Monroe Street, das Commercial und das Fremont House in der Dearborn und Lake Street, die Alhambra in der Archer Avenue, ferner die Hôtels Atlantic, Wellington, Saratoga und noch zwanzig andere. An Umfang, Ausstattung, lebhaftem Verkehr, wie durch vernünftige Hausordnung, die es jedermann anheimgiebt, nach

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