Das Testament eines Excentrischen
durch die ganze Stadt.
Der »Match Hypperbone« – wie man allgemein zu sagen pflegte – hatte seinen Anfang genommen.
Im Laufe des Abends vollendete Max Real seine Reisevorbereitungen, die ihm keine Schwierigkeiten machten, und am folgenden Morgen umarmte er zum Abschied seine Mutter, unter dem Versprechen, ihr möglichst oft zu schreiben. Dann verließ er die Nr. 3997 der Halsted Street mit dem getreuen Tommy, und zehn Minuten vor Abgang des gewählten Zuges trafen beide zu Fuß auf dem Bahnhofe ein.
Daß das Schienennetz um die Stadt Chicago nach jeder Richtung hin ausstrahlt, wußte Max Real schon längst; er konnte also zwischen den zwei oder drei Bahnlinien, die von hier nach Kansas führen, leicht die ihm passendste wählen. Kansas grenzt zwar nicht an Illinois, wird von diesem aber nur durch den Staat Missouri geschieden. Die von dem jungen Maler zurückzulegende Strecke betrug auch nur fünfhundertfünfzig bis sechshundert (amerikanische) Meilen, je nachdem er die eine oder die andere Linie vorzog.
»Ich kenne Kansas noch nicht, sagte er für sich, und das ist ja eine Gelegenheit, die, amerikanische Wüste’, wie man das Land früher nannte, in Augenschein zu nehmen. Unter den dortigen Ansiedlern befinden sich obendrein nicht wenige französische Canadier… ich werde da also unter Landsleuten sein. denn es ist mir ja nicht verwehrt, den Weg nach dem Orte, wo ich bleiben soll, nach Belieben zu wählen.«
Nein, das war nicht verboten. Auch der darum befragte Meister Tornbrock hatte sich in diesem Sinne ausgesprochen. William I. Hypperbone’s hinterlassene Vorschrift bestimmte nichts weiter, als daß er sich nach Fort Riley in Kansas zu begeben habe, und daß er dort am vierzehnten Tage nach der Abreise eingetroffen sein müsse, um durch Telegramm die Augenzahl des zweiten, ihn betreffenden Wurfes, des achten in der Spielpartie, mitgetheilt zu erhalten. Unter den fünfzig Staaten, die auf der Karte in der uns bekannten Weise geordnet waren, gab es nicht mehr als drei, wohin und nach dem darin bestimmten Orte die Partner sich so schnell als möglich zu begeben hatten, da sie dort möglicherweise schon durch die nächste Entscheidung der Würfel abgelöst werden konnten, das waren Louisiana, das neunzehnte Kartenfeld mit dem Gasthause, Nevada, das einunddreißigste Feld mit dem Schachte, und Missouri, das zweiundfünfzigste Feld mit dem Gefängnisse.
Max Real konnte nun gar nicht besser thun, als seinem Bestimmungsorte auf dem »Schülerwege«, wie man in Frankreich sagt, zuzustreben. Ein Hitzkopf, wie der Commodore Urrican, oder ein Geizhals, wie Hermann Titbury, würde freilich nicht so viel Geduld und Geld daran setzen, gemächlich zu reisen. Solche Leute begäben sich mit Volldampf möglichst schnell, und ohne unterwegs auch etwas sehen zu wollen, nach ihrem Reiseziele.
Max Real hatte sich folgenden Weg ausgewählt: Statt unmittelbar nach Kansas City, schräg von Osten nach Westen durch Illinois und Missouri zu fahren, wollte er den Grand Trunk benutzen, den Schienenweg, der bei einer Länge von dreitausendsiebenhundertsechsundachtzig Meilen von New York nach San Francisco – »von Ocean zu Ocean«, sagt man in Amerika – hinführt. Eine weitere Fahrt von etwa fünfhundert Meilen sollte ihn nach Omaha an der Grenze von Nebraska bringen, und von da wollte er sich auf einem der Dampfer, die den Missouri hinabfahren, nach der Hauptstadt von Kansas begeben. Endlich würde er, als Tourist und als reisender Künstler, am bestimmten Tage in Fort Riley eintreffen.
Als Max Real den Bahnhof betrat, fand er da viele Neugierige versammelt. Ehe sie große Summen an die von heute ab geltende Partie wagten, wollten die Wettenliebhaber mit eigenen Augen den Ersten sehen, der sich auf die Reise machte. Obwohl bisher noch keine Wetteinsätze, die nach größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu bemessen waren, angenommen wurden, wollte man sich den jungen Maler bei seiner Abreise doch wenigstens angesehen haben. Flößte sein Auftreten Vertrauen ein?… War er in »guter Form«?… Konnte man ihn als Favorit ansehen, obwohl die Möglichkeit, daß er mehrfache Einsätze zahlen müßte, die Befürchtung erweckte, ihn unterwegs aufgehalten zu sehen?
Max Real hatte, wir müssen es gestehen, nicht das Glück – doch was kümmerte er sich darum! – seinen Mitbürgern zu gefallen, schon weil er alle seine Malgeräthschaften bei sich trug. Jonathan, ein praktischer Mann, meinte, es handle sich hier
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