Das Testament
Sie für mich, Nate.«
»Ich verspreche, dass ich künftig mehr beten will.«
»Sie sind ein guter Mensch. Sie brauchen nur ein wenig Hilfe.«
»Ich weiß. Ich bin nicht besonders stark.«
Er hatte die Papiere in einem zusammengefalteten Umschlag in der Tasche. Jetzt nahm er sie heraus. »Können wir wenigstens darüber sprechen?«
»Ja, aber nur, weil ich Ihnen einen Gefallen tun möchte. Wenn Sie schon den ganzen Weg hierher gemacht haben, kann ich mit Ihnen zumindest über die juristischen Fragen reden.«
»Danke.« Er gab ihr das erste Blatt, eine Kopie der einen Seite, aus der Troys Testament bestand. Sie las es bedächtig und hatte an einigen Stellen Schwierigkeiten, die Handschrift zu entziffern. Zum Schluß fragte sie: »Erfüllt dies Testament denn die gesetzlichen Anforderungen?«
»Eigentlich schon.«
»Aber es kommt mir irgendwie behelfsmäßig vor.«
»Ein eigenhändiges Testament ist gültig. So will es das Gesetz.«
Sie las es erneut. Nate sah, dass die Schatten am Waldrand länger wurden. Seit einiger Zeit hatte er Angst vor der Dunkelheit, sowohl zu Lande wie auf dem Wasser. Er wollte möglichst bald fort.
»Troy hat für seine anderen Nachkommen wohl nicht besonders viel empfunden, was?« fragte sie belustigt.
»Das würde Ihnen genauso gehen. Allerdings war er ihnen wohl auch kein besonders guter Vater.«
»Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem mir meine Adoptivmutter von ihm erzählt hat. Da war ich siebzehn. Es war im Spätsommer. Ihr Mann war gerade an Krebs gestorben, und das Leben sah ziemlich trist aus. Troy hatte mich irgendwie aufgestöbert und wollte uns unbedingt besuchen. Sie hat mir gesagt, wer meine wirklichen Eltern waren, und es hat mir nichts bedeutet. Mir waren diese Menschen gleichgültig. Ich hatte sie nie gekannt und empfand nicht das Bedürfnis, sie kennenzulernen. Später habe ich erfahren, dass meine Mutter Selbstmord begangen hatte. Wie finden Sie das, Nate? Meine biologischen Eltern haben sich beide das Leben genommen. Ob etwas davon in meinen Genen ist?«
»Nein. Sie sind viel stärker als beide.«
»Mir ist der Tod willkommen.«
»Sagen Sie das nicht. Wann haben Sie Troy kennengelernt?«
»Ein Jahr später. Er und meine Adoptivmutter haben ziemlich oft miteinander telefoniert. Er hat sie davon überzeugt, dass er es gut meint, und uns eines Tages besucht. Wir haben Tee getrunken und Kekse gegessen, dann ist er wieder gefahren. Er hat Geld für das College geschickt. Später hat er angefangen, mich zu bedrängen, ich sollte in eine seiner Firmen eintreten. Er hat sich aufgeführt wie ein Vater, und das hat mich gestört. Als dann meine Adoptivmutter starb, ist die Welt um mich herum zusammengebrochen. Ich habe einen anderen Nachnamen angenommen und Medizin studiert. Im Lauf der Jahre habe ich für Troy gebetet, so wie ich für alle verlorenen Menschen bete, die ich kenne. Ich hatte angenommen, er hätte mich vergessen.«
»Sieht nicht so aus«, sagte Nate. Ein schwarzer Moskito setzte sich auf seinen Oberschenkel, und er schlug mit einer Kraft zu, die ausgereicht hätte, ein Stück Brennholz zu spalten. Falls das Tier den Malariaerreger in sich trug, würde es ihn nicht weiterverbreiten. Rot zeichnete sich der Umriss von Nates Hand auf seiner Haut ab.
Er gab ihr die Annahmebestätigung und die Verzichterklärung. Sie las beide Formulare sorgfältig durch und sagte dann: »Ich unterschreibe nichts. Ich möchte mit dem Geld nichts zu tun haben.«
»Behalten Sie die Papiere einfach hier. Beten Sie darüber.«
»Machen Sie sich über mich lustig?«
»Nein. Ich weiß einfach nicht, was ich als nächstes tun soll.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Aber eine Bitte habe ich an Sie.«
»Wird gemacht. Alles, was Sie wollen.«
»Sagen Sie niemandem, wo ich mich aufhalte, Nate. Bitte achten Sie meine Zurückgezogenheit.«
»Das verspreche ich. Aber Sie müssen realistisch sein.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Die Story ist unwiderstehlich. Sofern Sie das Geld nehmen, sind Sie wahrscheinlich die reichste Frau auf der Welt. Falls Sie es ablehnen sollten, ist die Geschichte noch verlockender.«
»Wen interessiert das denn?«
»Sie sind ein Herzchen. Sie kennen die Massenmedien nicht. Heutzutage wird bei uns alles, was passiert, vierundzwanzig Stunden am Tag ununterbrochen vor der Öffentlichkeit ausgebreitet. Stunden um Stunden von Nachrichtensendungen, Nachrichtenmagazinen, Gerede über dies und jenes, Sensationsmeldungen. Lauter
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