Das Testament
unangenehm kalt.
Er kroch auf seinem Sitz in sich zusammen und sah sich nach etwas um, das er überziehen konnte. Jevy merkte das und fragte nach einer Weile: »Fehlt Ihnen was, Nate?«
Während er verneinend den Kopf schüttelte, schoss ihm der Schmerz aus den Augen ins Rückgrat. Ihm lief die Nase.
Nach zwei weiteren Biegungen wurden die Bäume spärlicher und das Gelände flacher. Der Fluss weitete sich, bis sie sich mit einem Mal auf einer Art See befanden, in dessen Mitte drei verrottete Bäume aufragten. Nate wusste, dass sie an diesen Bäumen noch nicht vorübergekommen waren. Offensichtlich fuhren sie jetzt eine andere Strecke. Ohne die Unterstützung durch die Strömung wurden die Kanus etwas langsamer, schnitten aber nach wie vor verblüffend rasch durch das Wasser. Die Führer achteten nicht weiter auf den See. Sie wussten genau, wohin sie wollten.
»Ich glaube, ich habe Malaria«, sagte Nate. Seine Stimme klang heiser; seine Kehle war bereits entzündet.
»Woher wollen Sie das wissen?« Jevy nahm kurz das Gas zurück.
»Rachel hat mich gewarnt. Sie hat gestern im anderen Dorf einen Fall erlebt.
Deswegen sind wir jetzt auch aufgebrochen.«
»Haben Sie Fieber?«
»Ja. Außerdem sehe ich manchmal nichts.«
Jevy verlangsamte die Fahrt weiter und rief den Indianern etwas zu, die schon fast außer Sichtweite waren. Er schob leere Benzinkanister und die Reste ihrer Vorräte hin und her und entrollte rasch das Zelt. »Sie werden Schüttelfrost bekommen«, sagte er dabei. Das Boot schaukelte hin und her, während er sich darin bewegte.
»Hatten Sie schon mal Malaria?«
»Nein. Aber die meisten meiner Freunde sind daran gestorben.«
»Wirklich?«
» Ein schlechter Witz. Man stirbt nur selten daran, aber Sie werden sehr krank sein.«
Vorsichtig schob sich Nate, den Kopf möglichst ruhig haltend, hinter die Bank und legte sich in die Mitte des Bootes. Zusammengerolltes Bettzeug diente ihm als Kissen. Jevy breitete das entfaltete Zelt über ihn und beschwerte die Enden mit zwei leeren Benzinkanistern.
Die Kanus waren jetzt neben ihnen. Lako erkundigte sich auf portugiesisch, was es gebe. Nate hörte, dass Jevy das Wort Malaria aussprach und die Indianer daraufhin in ihrer Sprache miteinander verhandelten. Dann waren sie fort.
Es kam ihm vor, als fahre das Boot jetzt schneller. Vielleicht lag das daran, dass er auf dem Boden lag und spürte, wie es durch das Wasser glitt.
Gelegentlich zuckte er zusammen, wenn ein Ast, den Jevy nicht gesehen hatte, an den Rumpf stieß, achtete aber nicht weiter darauf. Sein Kopf dröhnte und hämmerte wie noch bei keinem Kater, den er erlebt hatte. Muskeln und Gelenke schmerzten so sehr, dass er sich nicht rühren mochte. Außerdem war ihm kalt. Der Schüttelfrost hatte eingesetzt.
In der Ferne hörte man ein Grollen. Vielleicht war es Donner. Großartig, dachte Nate. Das hat uns gerade noch gefehlt.
Der Regen blieb aus. Als sich der Fluss nach Westen wandte, sah Jevy die Sonne orangefarben und gelb verglühen. Dann wandte er sich wieder nach Osten der Dunkelheit entgegen, die sich über das Pantanal senkte. Zweimal wurden die Kanus langsamer, während die Ipicas beratschlagten, welchem Zweig einer Gabelung sie folgen sollten. Jevy hatte das Boot immer rund dreißig Meter hinter ihnen gehalten, schloss aber zu ihnen auf, als es dunkler wurde. Er konnte Nate nicht sehen, der unter dem Zelt lag, wusste aber, dass er litt. Tatsächlich hatte er einmal jemanden gekannt, der an Malaria gestorben war.
Nach zwei Stunden führten die Indianer sie in eine verwirrende Folge schmaler Wasserläufe und stiller Lagunen, und als sie einen breiteren Fluss erreichten, verlangsamten die Kanus eine Weile ihre Fahrt. Die Indianer mussten sich ausruhen. Lako erklärte Jevy durch Zurufe, dass sie in Sicherheit seien. Der schwierige Teil liege hinter ihnen, jetzt müsse man mit keinen Hindernissen mehr rechnen. Bis zum Xeco seien es noch rund zwei Stunden, und der führe geradezu in den Paraguay.
Schaffen wir das allein? fragte Jevy. Nein, lautete die Antwort. Es gebe immer noch Abzweigungen. Außerdem kannten die Indianer eine Stelle am Xeco, die nicht überschwemmt sei. Dort könnten sie die Nacht verbringen.
Wie geht es dem Amerikaner? fragte Lako. Nicht gut, antwortete Jevy.
Der Amerikaner hörte ihre Stimmen und merkte, dass sich das Boot nicht bewegte.
Das Fieber wütete in seinem Körper vom Kopf bis zu den Füssen. Er war völlig nass, und auch seine Kleider waren durchnässt.
Weitere Kostenlose Bücher