Das Testament
Schmerzen noch Fieber. Seine Glieder waren steif, doch er schwitzte nicht. Er fühlte die dicke Binde über den Augen, ertastete das Heftpflaster, das sie hielt, und beschloss nach einigem Überlegen, einmal nachzusehen. Da die Kanüle des Infusionsschlauchs im linken Arm steckte, zupfte er mit den Fingern der rechten Hand am Pflaster. Er hörte Stimmen in einem anderen Zimmer und Schritte auf einem harten Boden. Im Gang gingen Menschen hin und her. Irgendwo in seiner Nähe stöhnte jemand leise vor Schmerzen.
Nach einer Weile gelang es ihm, das Heftpflaster von seinen Haaren und seiner Haut zu lösen, wobei er denjenigen verfluchte, der es angebracht hatte. Er klappte die Binde zur Seite, so dass sie ihm über das linke Ohr hing. Das erste, was er sah, war abblätternde Farbe, ein stumpfes, ausgebleichtes Gelb an der Wand unmittelbar über ihm. Das Licht war ausgeschaltet, durch ein Fenster drangen Sonnenstrahlen herein. Die Deckenfarbe wies ebenfalls Risse auf, unter großen schwarzen Lücken hingen Spinnweben. Ein klappriger Ventilator eierte unter der Zimmerdecke.
Zwei Füße erregten seine Aufmerksamkeit, zwei alte, knotige, mit Narben übersäte Füße, die von den Zehen bis zur Ferse mit Wunden und Schwielen bedeckt waren.
Als er den Kopf ein wenig hob, sah er, dass sie einem verschrumpelten kleinen Mann gehörten, dessen Bett mit dem Fußende fast an seines stieß. Er schien tot zu sein.
Das Stöhnen kam von der Wand neben dem Fenster. Der arme Kerl in dem Bett da drüben war ebenso klein und ebenso verschrumpelt. Er saß mit verschränkten Armen und Beinen fast wie zu einer Kugel zusammengerollt mitten im Bett, als wäre er bewusstlos.
Die Luft war schwer vom Geruch abgestandenen Urins, menschlicher Exkremente und antiseptischer Mittel. Krankenschwestern lachten auf dem Gang. Von allen Wänden blätterte die Farbe. Außer Nates Bett standen noch fünf weitere im Raum, alle auf Rollen, einfach ohne erkennbare Ordnung hier und da abgestellt.
Sein dritter Zimmergenosse lag in der Nähe der Tür. Mit Ausnahme einer durchnässten Windel war er nackt, und sein ganzer Leib war mit offenen roten Schwären bedeckt. Auch er schien tot zu sein, und Nate hoffte im Interesse des Mannes, dass es sich so verhielt.
Nirgendwo gab es Knöpfe, auf die man hätte drücken können, keine Schnur, an der man ziehen konnte, um jemanden herbeizuholen, keine Möglichkeit, Hilfe anzufordern, außer indem man laut schrie. Dann aber wurden möglicherweise die Toten wach, erhoben sich von ihren Betten und suchten ihn heim.
Er wollte davonlaufen, die Füße über den Bettrand schwingen, sich den Infusionsschlauch aus dem Arm reißen und in die Freiheit rennen. Er würde sein Glück auf der Straße versuchen. Dort gab es bestimmt nicht soviel Krankheit wie hier. Alles war besser als diese Leprastation.
Aber seine Füße waren wie Ziegelsteine. Nate gab sich große Mühe, sie zu heben, doch einer wie der andere rührte sich kaum.
Er ließ den Kopf aufs Kissen sinken, schloss die Augen und überlegte, ob er weinen sollte. Hier liege ich in einem Land der dritten Welt im Krankenhaus, sagte er immer wieder vor sich hin. Ich bin aus Walnut Hill weggegangen, wo man tausend Dollar am Tag zahlen musste, alles auf Knopfdruck kam, wo sie Teppiche und Duschen hatten und Therapeuten darauf warteten, dass ich sie kommen ließ.
Der über und über mit offenen Wunden bedeckte Mann stieß einen Grunzlaut aus, und Nate ließ sich noch tiefer ins Bett sinken. Dann griff er vorsichtig nach der Binde, legte sie sich über die Augen und klebte sie mit dem Pflaster exakt an die Stelle, wo sie gewesen war, nur fester.
FÜNFUNDDREISSIG
Snead kam zu der Sitzung mit einem eigenen Vertragsentwurf, den er ohne Hilfe eines Anwalts ausgearbeitet hatte. Hark las ihn und musste zugeben, dass er nicht schlecht war. Er trug den Titel >Vertrag über Dienstleistungen eines Sachverständigem. Sachverständige vertreten eine Meinung, während Snead in erster Linie mit Fakten zu tun hatte, doch war es Hark gleichgültig, was da stand. Er unterschrieb den Vertrag und gab Snead einen bestätigten Bankscheck über eine halbe Million. Dieser nahm ihn vorsichtig entgegen, prüfte ihn sorgfältig, faltete ihn zusammen und steckte ihn in die Jackentasche. »Und wo fangen wir an?« fragte er lächelnd.
Es gab ungeheuer viel zu besprechen. Die anderen Phelan-Anwälte wollten dabei sein. Hark hatte lediglich Zeit für eine erste Erkundigung und fragte daher:
»Wie war
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