Das Testament
Fassung auf. Das Geld war zum Greifen nahe, und sie wollten es unbedingt haben. Beleidige uns, soviel du willst, sagten sie sich, aber komm zur Sache, nämlich zum Geld.
Andererseits, sagte Wycliff, kann man nie wissen, was Geschworene entscheiden werden. Er tat so, als stelle er jede Woche eine Geschworenenliste zusammen, was nicht der Fall war. Auch den Anwälten war das bekannt.
Er forderte Josh auf vorzutragen, was bei der ersten Vergleichsbesprechung am Montag, vor zwei Tagen, gesagt worden war. »Ich möchte genau wissen, wo wir stehen«, erklärte er.
Josh fasste sich kurz. Alles ließ sich in wenigen Sätzen sagen. Jeder der Nachkommen fordere fünfzig Millionen Dollar. Rachel, die Universalerbin, biete jedem zwanzig Millionen an, und zwar auf der Basis eines außergerichtlichen Vergleichs, ohne damit einen Rechtsanspruch der anderen anzuerkennen.
»Die genannten Beträge weichen beträchtlich voneinander ab«, merkte Wycliff an.
Nate war zwar gelangweilt, bemühte sich aber, wachsam zu erscheinen. Immerhin ging es bei dieser Verhandlung um eins der bedeutendsten Vermögen auf der ganzen Welt, das je von einem einzelnen Menschen zusammengetragen worden war. Josh hatte Nate wegen seiner Kleidung getadelt, doch das ließ ihn kalt. Er hielt sein Interesse wach, indem er aufmerksam die Gesichter der ihm gegenüber sitzenden Anwälte studierte. Sie wirkten unruhig, nicht etwa besorgt oder ängstlich, sondern eher so, als könnten sie es nicht abwarten zu erfahren, wie viel sie bekommen würden. Ihre Augen huschten umher, ihre Handbewegungen waren fahrig-Was für ein Spaß wäre es doch, einfach aufzustehen, zu erklären, Rachel biete niemandem auch nur einen Cent, und den Raum zu verlassen. Sie würden einige Augenblicke wie erstarrt dasitzen und ihn dann jagen wie halbverhungerte Hunde.
Als Josh fertig war, sprach Hark für die Gegenseite. Er hatte sich Notizen gemacht und gründlich überlegt, was er sagen wollte. Als er einräumte, der Fall habe sich nicht so entwickelt, wie sie sich das vorgestellt hatten, hörten sie ihm aufmerksam zu. Ihre Mandanten seien keine guten Zeugen und die neuen Psychiater nicht so zuverlässig wie die vorigen drei. Snead sei nicht glaubwürdig. All das gab er mit bewundernswerter Aufrichtigkeit zu.
Statt sich mit juristischen Konstruktionen abzugeben, konzentrierte sich Hark auf die Menschen. Er sprach über ihre Mandanten, Phelans Kinder, und räumte ein, dass sie auf den ersten Blick nicht besonders sympathisch wirkten. Wer sie aber besser kenne, so gut wie ihre Anwälte, müsse sich eingestehen, dass sie einfach nie im Leben eine wirkliche Chance gehabt hatten. Als Kinder seien sie verzogen worden, die Kindermädchen hätten sich die Türklinke in die Hand gegeben, ihr Vater habe nichts von ihnen wissen wollen und entweder gerade in Asien Fabriken gekauft oder in seinem Büro mit der jeweils neuesten Sekretärin zusammengelebt.
Geld sei immer in Hülle und Fülle da gewesen, ohne dass man dafür einen Finger habe krumm machen müssen. Es sei keinesfalls seine Absicht, das Andenken des Toten herabzusetzen, aber man müsse Troy Phelan so sehen, wie er gewesen sei.
Auch den Müttern müsse man ein gerüttelt Maß an Schuld für die Fehlentwicklung der Kinder geben, doch hätten sie selbst an Troys Seite ebenfalls die Hölle durchlebt.
Die Phelan-Kinder seien nun einmal nicht in einer normalen Familie aufgewachsen, und niemand habe ihnen je beigebracht, was die meisten anderen Kinder von ihren Eltern lernen. Der Vater sei ein bedeutender Geschäftsmann gewesen, dessen Anerkennung sie gesucht, aber nie bekommen hätten. Die Mütter hätten ihre Zeit mit Kaffeekränzchen, mildtätigen Einrichtungen und der Kunst des Einkaufens totgeschlagen. Ihr Vater sei der Ansicht gewesen, sie damit, dass er ihnen zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag fünf Millionen Dollar gab, hinreichend auf das Leben vorbereitet zu haben. Das sei gleichzeitig viel zu spät und viel zu früh gewesen. Das Geld habe auf keinen Fall die elterliche Anleitung und Liebe ersetzen können, die sie als Kinder gebraucht hätten, und sie hätten deutlich bewiesen, dass ihnen das Verantwortungsgefühl abging, das sie für den Umgang mit dem schlagartig über sie hereingebrochenen Reichtum gebraucht hätten.
Zwar hätte sich diese Zuwendung für sie als katastrophal erwiesen, aber zugleich auch einen Reifeprozeß ausgelöst. Jetzt, nach vielen Jahren, könnten die Phelan-Kinder ihre Fehler im Rückblick richtig
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