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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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erwiesen sich als gutgekleidete Berufsflieger. Nate aß weiter. Positiv denken, mahnte er sich.
    Eine Stunde lang durchstreifte er das kleine Abfertigungsgebäude. An einem Zeitschriftenkiosk erstand er einen portugiesischen Sprachführer und begann sich Wörter einzuprägen. Er las Werbeplakate für einen Abenteuerurlaub im Pantanal, der Ökotourismus genannt wurde. Man konnte Autos mieten. Es gab einen Stand, wo man Geld wechseln konnte, eine Bar mit Bierreklamen und auf einem Regal aufgereihte Whiskyflaschen. In der Nähe des Haupteingangs stand ein schlanker künstlicher Weihnachtsbaum mit einer einzelnen Lichterkette. Nate sah zu, wie die Birnchen zu den Klängen eines brasilianischen Weihnachtslieds aufblinkten, und musste trotz aller Mühe, es nicht zu tun, unwillkürlich an seine Kinder denken.
    Es war der Tag vor Heiligabend. Nicht alle Erinnerungen waren quälend.
    Er bestieg das Flugzeug mit zusammengebissenen Zähnen und durchgedrücktem Rückgrat und schlief fast die ganze Stunde, die der Flug bis Corumba dauerte.
    Der kleine Flughafen dort war voller Bolivianer, die auf einen Flug nach Santa Cruz warteten. Sie waren mit Kartons und Taschen beladen, die von Weihnachtsgeschenken überquollen.
    Vor dem Flughafengebäude war die Luft drückend schwül. Nate trieb einen Taxifahrer in einem alten, ungepflegten Mazda auf, der kein Wort Englisch konnte. Doch nachdem er ihm die Wörter »Hotel Palace« auf seinem Reiseplan gezeigt hatte, ging die Fahrt los. Im Wagen war es heiß und stickig.
    Corumba habe neunzigtausend Einwohner, erfuhr er aus einem weiteren der von Joshs Mitarbeiter ausgearbeiteten Merkblätter. Die Stadt liege nahe der bolivianischen Grenze am Fluss Paraguay und schmücke sich schon seit langem mit der Bezeichnung >Hauptstadt des Pantanal<. Der Verkehr auf dem Fluss und der Handel, dem die Stadt ihre Entstehung verdanke, werde wohl auch ihren Weiterbestand sichern.
    Corumba machte auf Nate einen angenehmen Eindruck und wirkte in keiner Weise hektisch. Die baumbestandenen breiten Straßen waren gepflastert. Händler saßen im Schatten vor ihrem Ladeneingang und unterhielten sich miteinander, während sie auf Kunden warteten. Halbwüchsige flitzten auf ihren Motorrollern zwischen den Autos umher. Barfüssige Kinder schleckten an Tischen auf den Bürgersteigen ihr Eis.
    Während sich das Taxi dem Geschäftsviertel näherte, wurde der Autoverkehr immer dichter, bis er ganz zum Stillstand kam. Der Fahrer murmelte etwas, schien aber nicht weiter beunruhigt zu sein. In New York oder Washington hätte ein Taxifahrer in einer solchen Situation und bei dieser Hitze vor einem Gewaltausbruch gestanden.
    Aber hier waren sie in Brasilien. In Südamerika gingen die Uhren langsamer.
    Nichts hatte Eile. Zeit war nicht so wichtig. Nimm deine Uhr ab, sagte sich Nate. Er nahm sie aber doch nicht ab, schloss statt dessen die Augen und atmete die schwüle Luft ein.
    Das Hotel lag mitten in der Stadt an einer Straße, die mit leichtem Gefalle zum Fluss Paraguay hinabführte, der majestätisch in der Ferne blinkte. Nate gab dem Taxifahrer eine Handvoll Reais und wartete geduldig auf sein Wechselgeld. Er brachte ein klägliches »Obrigado« heraus, um dem Fahrer zu danken. Dieser lächelte und sagte etwas, was er nicht verstand. Die Türen zur Hotelhalle standen offen, wie alle Türen in Corumba, die auf die Bürgersteige führten.
    Die ersten Wörter, die er beim Eintritt hörte, wurden von jemandem aus Texas geschrien. Ein Trupp von Rowdys, die getrunken hatten und in festlicher Stimmung zu sein schienen, verließ gerade das Hotel. Sie wollten offenbar rechtzeitig zu den Feiertagen nach Hause kommen. Nate setzte sich in die Nähe eines Fernsehgeräts und wartete, bis sie verschwanden.
    Sein Zimmer lag im siebten Stock. Für achtzehn Dollar am Tag bekam er einen Raum, der knapp fünfzehn Quadratmeter groß war und in dem ein schmales Bett stand. Sofern es eine Matratze hatte, musste die ziemlich dünn sein, denn man lag dicht über dem Fußboden. Von Sprungfedern war nichts zu sehen. Außerdem gab es einen Tisch, einen Stuhl, eine am Fenster angebrachte Klimaanlage, einen kleinen Kühlschrank mit Flaschen voll Wasser, Cola und Bier sowie ein sauberes Badezimmer mit Seife und vielen Handtüchern. Gar nicht so schlecht, sagte sich Nate. Das war ein Abenteuer. Es war kein Luxushotel, aber bestimmt konnte man da leben.
    Eine halbe Stunde lang versuchte er Josh anzurufen, doch die Sprachbarriere war unüberwindlich. Der

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