Das Teufelslabyrinth
seine Jacke herauszunehmen, dann ging er weiter und kramte im Gehen sein Handy aus der Jackentasche. Er drückte die Kurzwahltaste, um seine Mutter anzurufen.
Er erreichte aber nur ihre Mailbox.
»Hi, Mom«, sprach er auf ihren Anrufbeantworter. »Es hat in der Schule länger gedauert, weil ich noch einen Test schreiben musste. Eigentlich hatte ich gehofft, du könntest mich mit dem Auto abholen, aber anscheinend bist du beschäftigt. Also bis gleich dann.«
Er klappte das Handy zu und wollte es gerade in seinem Rucksack verstauen, als plötzlich die Tür der Bubentoilette aufflog und zwei von Frankie Alitos besten Kumpeln herausstürmten - Bennie Locke und Stan Wojniak -, ihn packten, herumrissen und in die Toilette zerrten, ehe er noch Gelegenheit zu irgendeiner Gegenwehr hatte. Das Handy flog ihm aus der Hand und zerschmetterte auf dem harten Fliesenboden, dann knallte die Tür zu, und Ryan selbst nahm denselben Weg wie sein Handy, landete unter dem Waschbecken und schlug mit dem Ellbogen auf den schmierigen Fliesen auf.
Der sengende Schmerz, der von seinem Ellbogen ausging, hatte kaum Zeit, sich in seinem ganzen Körper auszubreiten, da packte Bennie ihn am Bein und zerrte ihn unter dem Waschbecken heraus. Ryan versuchte, sich an einem der Abflussrohre festzuklammern und mit dem freien Bein nach Bennie zu treten, doch sein Kick ging ins Leere. Dafür traf ihn Wojniaks Stiefel mitten ins Gesicht.
Ryan spürte, wie die Kraft aus seinen Händen wich und es ihm schwarz vor Augen wurde.
»He, das nächste Mal tust du besser, was man dir sagt«, knurrte Wojniak und zog den Fuß an, um Ryan einen Tritt in die Seite zu verpassen.
Ryan spürte, wie seine Rippen brachen - und er hörte es auch. Ein glühend heißer Schmerz explodierte in seinem linken Brustkorb, und für einen Moment glaubte er, das Bewusstsein zu verlieren. »Nicht«, wisperte er
und krümmte sich zusammen, um sich vor weiteren Tritten zu schützen.
»Hör dir das an«, spöttelte Bennie. »Winselt wie eine Memme.« Seine Lippen verzogen sich zu einem fiesen Grinsen. »Erbärmlicher Schlappschwanz!«
Wieder traf ihn ein Stiefeltritt, diesmal an der Achillessehne, und wieder schoss ein unsäglicher Schmerz durch seinen Körper.
Er wollte schreien, doch seine zerschmetterten Rippen hinderten ihn am Luftholen, und heraus kam nur ein klägliches Wimmern.
Die Tritte hagelten jetzt in immer kürzeren Abständen auf Ryan nieder, und er konnte nichts anderes tun, als seinen Kopf zwischen den Armen zu vergraben und zu warten, bis der Wahnsinn vorbei war. Immer wieder spürte er die harten Spitzen ihrer Lederstiefel auf seinen Körper eindreschen. Doch nach einer Weile begannen die Schmerzen nachzulassen, und auch die höhnenden Stimmen wurden leiser, und als Ryan abermals in die Dunkelheit abzugleiten drohte, kämpfte er nicht mehr dagegen an.
Sondern überließ sich ihr.
Und irgendwann hörten die Tritte auf.
4
Ausgerüstet mit einer Taschenlampe in der einen Hand und dem schweren Schlüsselbund, den Schwester Margaret ihm überlassen hatte, in der anderen, stieß Bruder Francis die Tür zum Keller hinter dem Speisesaal auf und tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab.
Nichts.
Kein Schalter. Nicht einmal eine Glühbirne mit einer Zugkette daran. Kein Wunder, Schwester Margaret hatte ihn ja vorgewarnt. »Da unten könnte der Heilige Gral liegen, und niemand würde ihn jemals finden«, hatte sie gesagt, als sie ihm die Schlüssel und die Taschenlampe ausgehändigt hatte. »Und falls Sie Schwester Agnes Leopold begegnen sollten, dann richten Sie ihr aus, dass sie siebenundzwanzig Jahre zu spät dran ist, um ihr Gelübde abzulegen.« Auf seinen verständnislosen Blick hin hatte sie die schwarzen Augen verdreht, gemeint, das sei nur ein Scherz gewesen, und ihn entlassen, damit er mit der Durchsuchung des Kellers begann.
Mit der undurchdringlichen Dunkelheit des Treppenabgangs konfrontiert, fühlte sich Bruder Francis plötzlich an den Tag vor vielen Jahren zurückversetzt, als ihn sein älterer Bruder in den Keller gesperrt und das Licht ausgemacht hatte. Damals war er fünf gewesen und hatte sich fast zu Tode gefürchtet. Aber jetzt bist du erwachsen, ermahnte er sich, und da unten ist nichts, wovor du Angst haben müsstest. Er schluckte, knipste die Taschenlampe an und stieg die Kellertreppe hinab. Auch wenn er Kip Adamson nicht finden sollte, überlegte er, war es ohnehin längst an der Zeit, sich mit den labyrinthartigen
Tunneln und
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