Das Teufelslabyrinth
silbernen Wagen langsam die Straße entlangfahren und vor dem Haupteingang der Schule anhalten. Sekunden später kam ein Mann in Jeans, einem schwarzen T-Shirt und einer dunklen Jacke die Stufen heruntergeeilt und stieg in den Wagen. Kurz bevor der Wagen losfuhr, schaute der Mann durchs Seitenfenster nach oben, schien genau das Fenster anzuvisieren, hinter dem Ryan stand.
Pater Sebastian!
Ryan warf einen Blick auf die alte Wanduhr, die über dem Fernseher hing.
Gleich halb vier.
Ein Notfall? Aber was für ein Notfall könnte Pater Sebastian veranlassen, mitten in der Nacht und so eilig die Schule zu verlassen?
Und nicht in seinem Priestergewand, das er sonst immer trug?
Als der Wagen wendete, fiel der Schein der Straßenlaterne auf das Gesicht des Fahrers.
Ryan riss die Augen auf und wich einen Schritt zurück.
Das konnte nicht sein! Das musste eine Lichtspiegelung oder so was gewesen sein!
Ryan spähte noch einmal aus dem Fenster, aber da war der Wagen bereits um die Ecke gebogen.
Die Straße war leer.
56
Abdul sah zu, wie Farrooq einen der dunkelroten Ministrantenröcke auseinanderfaltete und auf seinem Schoß ausbreitete. »Ich habe drei präpariert«, sagte Farrooq und zeigte Abdul dann die sorgfältig genähten Taschen mit dem Sprengstoff, die Sprengkabel, die er durch den Saum gefädelt hatte, die erst an der Seitennaht entlang bis zum rechten Armausschnitt und dann den rechten Ärmel entlang bis zum Aufschlag führten.
Abdul nickte bewundernd angesichts der sorgfältigen Arbeit seines älteren Bruders. »Sehr schön«, murmelte er. Seine Finger strichen über den seidigen Stoff und blieben dann auf der gefüllten Innentasche liegen. Beinahe glaubte er die unbändige Kraft zu spüren, die in diesen kleinen, in den Seitennähten versteckten Sprengstoffpäckchen steckte.
»Die Auslöser befinden sich hier«, sagte Farrooq in die Träumereien seines Bruders hinein. Dieser legte daraufhin den Finger sachte auf den winzigen Knopf am Ärmelaufschlag, der unter der Spitzenborte des weißen Chorhemds nahezu unsichtbar war. »Es wird an dir sein zu entscheiden, wann sie aktiviert werden sollen«, erklärte Farrooq leise.
Abdul suchte den Blick seines Bruders. »Die Ministranten werden die großen Kerzen tragen und in die dafür vorgesehenen Ständer auf dem Altar stecken. In diesem Moment werden sie dem Papst so nahe sein, wie es irgend möglich ist. Nachdem sie die Kerzen platziert haben, werden sie einen Schritt vom Altar zurücktreten, und dann wird jeder von ihnen den Auslöser betätigen.«
»Allah sei gepriesen«, seufzte Abdul.
»… dass es Bomben gibt«, fuhr Farrooq fort. »Zwei für jeden Ministranten. Insha-allah, mögen alle sechs detonieren.« Er machte eine Pause, dann lächelte er. »Aber eigentlich brauchen wir nur eine.«
»Sicher ist sicher«, sagte Abdul.
»Sicher ist sicher«, pflichtete Farrooq ihm bei, »vorausgesetzt, die Ministranten machen ihren Job.« Er nahm das Gewand wieder an sich, faltete es sorgfältig zusammen und legte es zu den anderen. »Und jetzt sag, was ist mit dem Kruzifix unseres Vaters?«, erkundigte er sich, während er zum Kühlschrank ging, zwei Flaschen Wasser herausnahm und eine davon seinem Bruder reichte.
Abdul zuckte mit den Schultern. »Du machst dir zu viele Gedanken. Selbst wenn es auftauchen sollte, wissen wir immer noch nicht, ob es etwas bedeutet. Noch wollen wir uns auf einen einzelnen Ministranten verlassen - deshalb haben wir zwei als Reserve.« Jetzt waren es Abduls Lippen, die sich zu einem dunklen, freudlosen Lächeln verzogen. »Was man auch eine Unheilige Dreieinigkeit nennen könnte.«
»Sicher ist sicher.« Farrooq prostete seinem Bruder mit seiner Wasserflasche zu und trank sie dann ohne abzusetzen aus. »Wir werden uns erst wiedersehen, wenn das hier getan ist.«
Abdul nickte. »Zu viele Jahrhunderte lang sind wir von den Ungläubigen verfolgt worden, aber jetzt werden sie für das bezahlen, was sie unserer Familie und unserem Stamm angetan haben.«
»Ich habe die Ehre dieses heiligen Auftrags nicht verdient«, flüsterte Farrooq ergriffen.
»Wir sind dazu erwählt«, erwiderte Abdul. »Allah wusste, dass wir die Stärke dazu besitzen, sonst hätte Er uns
nicht zu dem Versteck geleitet.« Er zögerte kurz, dann blickte er seinem Bruder tief in die Augen. »In diesen vergangenen drei Jahren habe ich endlich verstanden, was unsere Familien durchgemacht haben, als sie vorgaben, Christen zu sein und Allah abschworen. Das waren
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