Das Teufelslabyrinth
Isaac’s, und statt den Griff eines blutigen Messers zu halten, umklammerten seine Finger das Bettlaken.
Nur der Nervenkitzel, den die geplante Tat mit sich brachte, kribbelte immer noch in seinem Körper.
Ryan sank zurück auf sein feuchtes, verschwitztes Kopfkissen und versuchte die Erinnerungen an den Traum zu verscheuchen, doch jedes Mal, wenn er die Augen schloss, lief der schreckliche Traum wieder wie ein Film vor seinem inneren Auge ab.
Schlimmer noch, das prickelnde Gefühl der Vorfreude auf die Tat, die er zu begehen beabsichtigte, kehrte ebenfalls zurück, und er spürte, wie sich seine Finger krümmten, als hielten sie noch immer dieses Messer.
Aus Angst vor den Träumen, die ihn heimsuchen mochten, wenn er einschliefe, setzte Ryan sich auf, schwang seine Beine über die Bettkante und stellte die Füße auf den kalten Boden. Clay Matthews atmete gleichmäßig in seinem Bett auf der anderen Seite des Zimmers, und Ryan wusste, dass er ihn aufwecken würde, wenn er sein Leselicht anschaltete.
Vielleicht reichte es, wenn er eine Weile aufstand, überlegte er, um die letzten Überbleibsel dieses Alptraums zu
verscheuchen. Also zog er seine Jeans und ein Sweatshirt an, schlüpfte aus dem Zimmer und zog leise die Tür hinter sich zu.
Auf dem Weg durch den Korridor zum Gemeinschaftsraum verursachten seine Schritte genau wie in seinem Traum keinerlei Geräusch, und als er den Raum erreicht hatte, war dieser ebenso menschenleer und dunkel wie die Straße in seinem Traum, und das einzige Licht kam von der Straßenlaterne draußen vor der Schule.
Das Letzte, was er jetzt wollte, war, mit einem Priester oder einer Nonne zu sprechen oder einem anderen Jungen aus seinem Schlaftrakt, weshalb er weder den altertümlichen Fernseher anstellte, der in einer Ecke stand, noch Licht machte.
Stattdessen setzte er sich im Dunkeln in einen Sessel und versuchte weiterhin, die Gewalttätigkeit seines Alptraums aus seinen Gedanken zu verbannen.
Woher nur war diese Brutalität gekommen?
Die Frage war überflüssig, er wusste die Antwort: Diese Brutalität war in ihm selbst entstanden, rührte von dieser dunklen Macht her, die aus den Tiefen seines Inneren aufgetaucht war, als Pater Sebastian ihn zu der kleinen Kapelle in den dunklen Kellern unterhalb der Schule gebracht hatte.
Er spürte, wie diese Macht sich in ihm entfaltete, ihn umhüllte und ihn mit jeder Minute, die verstrich, mehr in Besitz nahm. Sein Blick huschte von den Glasvitrinen mit alten Büchern zu den dunklen Ölgemälden mit den stumpf gewordenen Goldrahmen, die alle die Gebäude der St. Isaac’s darstellten, und weiter zu den abgenutzten Möbeln, die aus einem halben Dutzend Zeitepochen zusammengetragen zu sein schienen. Dann stand er auf und ging an das Fenster mit den zugezogenen, vergilbten
Spitzenstores und den fadenscheinigen Brokatvorhängen an beiden Seiten. Ryan zog den Store zur Seite und schaute hinaus. Ein leichter Nebel hing über dem Kopfsteinpflaster der Straße, genau wie in seinem Traum, und die Gehsteige und der Park waren genauso verlassen und menschenleer, nur irgendwo in der Ferne hörte er eine Sirene.
Von einem Krankenwagen? Ryan lehnte die Stirn an die kühle Fensterscheibe und überlegte, ob der Krankenwagen auf dem Weg zu dem Hospital war, in dem seine Mutter lag, immer noch bewusstlos.
Das Hospital, in dem er jetzt eigentlich sein, an ihrem Bett sitzen und ihre Hand halten sollte, anstatt hier zu stehen, auf Boston zu blicken und sich über einen Alptraum aufzuregen.
Nur dass sie geschrien hatte, als er sie berührte.
Geschrien und vor ihm zurückgewichen war, als wüsste sie von diesem Ding, das in ihm steckte, unaufhörlich wuchs und drohte, ihn gänzlich zu vereinnahmen. Und wenn das passierte …
Wenn er sie nur sehen, mit ihr sprechen und ihr erzählen könnte, was mit ihm passierte. Aber das ging natürlich nicht. Nicht jetzt.
Nicht heute Abend.
Nicht bevor sie wieder zu sich gekommen war.
Falls sie das Bewusstsein jemals wiedererlangte.
Unwillkürlich erschauderte Ryan, als er abermals an den Alptraum dachte. Daran, dass dieser real werden könnte, dass er sich mit einem Messer in der Hand wiederfand und es jemandem an die Kehle setzte, dass er spürte, wie es in das Fleisch einsank, die Sehnen durchtrennte, die Aorta aufschlitzte und er das Blut in hohem Bogen herausspritzen sah.
Eine Bewegung hinter der Fensterscheibe lenkte ihn von seinen Visionen ab. Angestrengt spähte er in die Dunkelheit, sah einen
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