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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Sie streckte ihre untergeschlagenen Beine aus und legte sich anschließend bäuchlings auf den Rasen, wobei sie ganz unbewusst die gleiche Position einnahm wie früher, als sie hin und wieder stundenlang nebeneinander auf dem Bett lagen, dabei weder geschlafen noch sich geliebt, sondern einfach nur miteinander geredet hatten. Das Gras unter ihr fühlte sich kühl an. Sie strich mit der Hand über den dunkelgrünen
Rasen und zupfte abwesend einen Grashalm ab, als wäre es eine Fluse auf dem Laken ihres Betts.
    »Ryan ist am Freitag in der Schule verletzt worden - schwer verletzt. Ein paar Jungs haben ihn verprügelt, und ich muss dir sagen, dass ich mich zu Tode erschrocken habe.« Sie hielt kurz inne, nicht weil sie auf eine Antwort von Bill wartete, sondern einfach nur, um ihre Gedanken zu ordnen. »Deshalb werde ich mich wahrscheinlich dazu entschließen, ihn von der Dickinson zu nehmen und auf die St. Isaac’s Academy zu schicken. Ich … nun, ich glaube, dort wird er besser aufgehoben sein, zumindest bis zu seinem Abschluss.« Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie die Tränen ab, die ihr in die Augen stiegen. »Keine Angst«, sagte sie schniefend und kämpfte gegen die Trauer an, die sie hier an diesem Ort stets zu überwältigen drohte. »Ich fange nicht an zu heulen. Und ich weiß auch, dass wir anders handeln würden, wenn du hier wärest.« Jetzt bebte ihre Stimme doch. »Aber du bist nicht hier, und ich muss die Entscheidung allein treffen.« Sie zögerte, ehe sie auf den Punkt zu sprechen kam, der der wahre Grund ihres Besuchs war. »Na ja, ganz allein treffe ich diese Entscheidung nicht. Ich …« Für einen Moment verfiel sie in Schweigen, dann gab sie sich einen Ruck. »Ich habe jemand kennengelernt, Bill. Sein Name ist Tom, Tom Kelly, und …«
    Und was? Und sie war einsam, ängstlich, fühlte sich elend, und Tom Kelly war gestern Abend für sie da gewesen, war ihr im Krankenhaus, bei Ryan und dem Gespräch mit der Polizei zur Seite gestanden, bei all den Dingen, bei denen Bill ihr hätte helfen sollen. Aber wie konnte sie ihm das erklären? Wie konnte sie ihm das alles erzählen, ohne kalt und herzlos und gleichgültig zu wirken, weil der einzige Mann, den sie je geliebt hatte -
je hatte lieben wollen -, gestorben war und sie einsam und elend und verängstigt zurückgelassen hatte? Aber es war Bill, der tot war, nicht sie, und …
    … und sie musste weiterleben.
    »Jedenfalls ist er ein guter Mann. Du würdest ihn mögen.« Sie brachte ein zaghaftes Lächeln zustande, trotz der Tränen, die ihr in den Augen brannten. »Und Ryan wird lernen, ihn … ach, wie auch immer, Tom hat ein Stipendium für Ryan beantragt, deshalb wird uns die Schule nichts kosten. Mir gefällt die Vorstellung zwar gar nicht, dass er im Internat leben muss, aber es ist ja nur für anderthalb Jahre, und die Schule liegt nur ein paar Meilen entfernt von uns, so dass ich ihn oft sehen werde.« Sie streckte die Hand aus und berührte noch einmal den Grabstein. »Ich hoffe, du bist damit einverstanden.« Wieder zögerte sie einen Moment. »Und ich meine damit nicht nur Ryan und die Schule, ich spreche auch von Tom. Ich hoffe, dass du das verstehen kannst, wo immer du jetzt bist.«
    Sie drehte sich auf den Rücken und blickte durch die Blätter des einzelnen Baums auf dem Hügel in den Himmel. »Er vermisst dich«, sagte sie. Eine Träne kullerte ihr aus dem Augenwinkel und rann seitlich an ihrer Wange herab. »Er hat dein Foto auf seinem Schreibtisch stehen. Und ich weiß, dass er mich dir gegenüber für treulos hält, weil ich mit Tom ausgehe, aber ich hoffe sehr, dass er es eines Tages verstehen wird. Ich weiß auch, dass du nur das Beste für uns beide willst, und im Moment brauche ich ein wenig Hilfe und Unterstützung.« Wieder begann ihre Stimme zu zittern. »Die du mir nicht mehr geben kannst.« Sie kramte ein Kleenex aus ihrer Handtasche und trocknete sich die Tränen ab. Über ihr im Baum trällerte ein Vogel, und unversehens fühlte sich Teri erleichtert,
so als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen worden. »Und Ryan braucht eine Vaterfigur. Das soll nicht heißen, dass ich Tom heiraten werde, aber ich glaube, dass er gut für Ryan ist.«
    Der Vogel über ihr trällerte noch ein paar Töne, worauf Teri entschied, sein Gezwitscher als das Zeichen zu werten, auf das sie gewartet hatte.
    Jetzt lächelte sie. »Du solltest Ryan sehen, Liebling«, plauderte sie jetzt nahezu unbeschwert. »Er wird langsam ein Mann.

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