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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Kopfschmerzen vom vielen Überlegen, was er nach St. Isaac’s
alles mitnehmen sollte, und jetzt musste er eine Schuluniform tragen? Vielleicht sollte er einfach zurück aufs Dickinson gehen. Doch kaum hatte diese Idee Gestalt angenommen, kehrten die Erinnerungen an die Fußtritte in der Jungentoilette zurück. Was immer ihn in St. Isaac’s erwartete, konnte bei weitem nicht so schlimm sein wie das, entschied er, und während er schweigend seiner Mutter beim Packen zusah, fragte er sich, wann er überhaupt all die Sachen anziehen sollte, die sie so ordentlich faltete.
    Und was war mit den übrigen Sachen, die er mitzunehmen gedachte? War es dort überhaupt erlaubt, in den Zimmern Poster an die Wand zu pinnen? Wahrscheinlich nicht. Auf einmal gingen ihm alle möglichen Fragen durch den Kopf. Würde er einen Zimmergenossen haben? Waren die Nonnen so bösartig, wie Pater Sebastian angedeutet hatte? Wie streng würde es dort überhaupt zugehen? Und musste er jeden Tag zur Messe gehen? Schlimmer noch, was, wenn er mit dem Unterrichtsstoff nicht zurande käme? In Privatschulen wurde angeblich sehr viel mehr verlangt als in öffentlichen, und die St. Isaac’s Academy …
    Nein, daran wollte er gar nicht erst denken; es war ihm ohnehin schon alles zu viel.
    Zufällig fiel sein Blick auf das Bild seines Vaters, das noch auf dem Schreibtisch stand. Das hätte er als Erstes einpacken sollen. Wie Messerstiche bohrten sich die Schmerzen in seinen Körper, als er umständlich vom Bett rollte, aber nachdem er ein paarmal tief durchgeatmet und die Hand auf die Rippen gedrückt hatte, ließen die Schmerzen ein wenig nach. Er nahm das gerahmte Foto in die Hand. Und hatte wie immer den Eindruck, als schaute sein Vater ihn nicht nur an, sondern tief in ihn
hinein. Sogleich spürte er den vertrauten Stich von Einsamkeit, der ihn jedes Mal durchfuhr, wenn er an seinen Vater dachte und daran, dass dieser immer eine Antwort auf seine Fragen parat hatte. Und als er jetzt sein Gesicht betrachtete, vermeinte er, seine Stimme zu hören. Werde erwachsen, schien sie ihm zuzuflüstern. Handle wie ein Mann und tu das Richtige. Er wickelte das Bild in ein Handtuch und gab es seiner Mutter, damit sie es in den Seesack packte.
    »Du musst morgen nicht gleich alles auf einmal mitnehmen«, sagte sie. »Ich kann dir nach und nach bringen, was du brauchst.«
    Ryan ging zurück zu seinem Bett, ließ sich vorsichtig auf der Kante nieder und hielt sich dabei die Seite.
    »Möchtest du eine Schmerztablette?«, fragte ihn seine Mutter besorgt.
    Ryan schüttelte den Kopf. »Nein, es geht schon. Bin wahrscheinlich nur ein bisschen nervös wegen morgen.«
    Teri setzte sich zu ihm, strich ihm übers Haar, berührte vorsichtig seine geschwollene Augenbraue und zeichnete den Rand eines dicken, blauen Flecks nach. Gerade als Ryan ihre Hand wegschieben wollte, stand sie unvermittelt auf. »Da gibt es etwas, was ich dir geben möchte«, sagte sie. »Du bist zwar noch nicht wirklich alt genug dafür, aber trotzdem denke ich, dass es an der Zeit ist.«
    Neugierig rappelte Ryan sich hoch und folgte seiner Mutter hinaus in den Flur und zu der kleinen Tür, die in den Dachboden führte. Sie mussten sich bücken, so niedrig war die Tür, und standen dann in einem riesigen Raum mit nackten Holzbalken und einem Sperrholzboden. Teri zog an der Kette einer einzelnen Glühbirne, die an einem Balken baumelte und wenig Licht, dafür aber umso düstere Schatten durch den Speicher warf. Ryan
folgte seiner Mutter, die sich zielstrebig zwischen Kartons mit Weihnachtsdekoration, seinen alten Babysachen und Schachteln voller alter Fotos bewegte, die schon so alt waren, dass niemand mehr wusste, wer darauf abgebildet war. Auf einer fadenscheinigen Chaiselongue standen einige Lampenfüße ohne die dazugehörigen Schirme, und auf einem kleinen Tischchen daneben, das früher einmal in seinem Zimmer gestanden hatte, thronte das Keramikhuhn, das er im Kindergarten gebastelt und rot angemalt hatte und dem inzwischen der Kopf fehlte.
    Ohne einen Blick auf all das zu werfen, ging seine Mutter vor einer alten grünen Truhe in die Hocke, die mit einem Zahlenschloss gesichert war.
    Eine Truhe, die Ryan heute zum ersten Mal sah.
    Mit wachsender Neugier kniete er sich neben seine Mutter, sah zu, wie sie die passenden Zahlen einstellte, das Schloss öffnete und den Deckel aufklappte.
    Obenauf lag eine Schicht Seidenpapier, darunter die Ausgehuniform seines Vaters.
    Ryan blieb die Luft weg. Das letzte

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