Das Teufelslabyrinth
Kelch und sagte: ›Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und alle vergossen wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis.‹« Er reichte Sofia den Kelch, sie trank einen Schluck Wein, senkte dann den Kopf und wartete auf den Segen.
Doch Pater Sebastian tat nichts dergleichen. Stattdessen fing er an, auf Lateinisch zu beten, und seine Stimme nahm dabei einen seltsamen Tonfall an, den Sofia noch nie gehört hatte.
Sie versuchte sich zu konzentrieren, zu verstehen, was er da sagte, doch die Worte ergaben für sie keinen Sinn.
Inzwischen wurden die Schmerzen und die Kälte, die ihren Körper lähmten, immer unerträglicher, und wieder hatte sie das Gefühl, als dehnte sich die Zeit zu einer Ewigkeit und als würde sie niemals von ihrer Buße erlöst.
Sie blinzelte, kniff die Augen zu und riss sie wieder auf. Die Steinfliesen auf dem Boden schienen auf einmal ausgefranste Kanten zu haben.
Dann begannen sie mit einem Mal zu verrutschen und Formationen zu bilden, denen ihre Augen nicht zu folgen vermochten.
Sofia war furchtbar schwindlig, und in ihrem Kopf drehte sich alles. In ihrer Not wollte sie nach Pater Sebastians Talar greifen, um nicht umzukippen, doch ihre Arme waren auf einmal viel zu schwer geworden, um sie anzuheben. »Mir ist schlecht«, versuchte sie zu sagen, doch noch ehe sie ihre Lippen dazu bringen konnte, die Worte zu formen, vernebelten dunkle Wolken ihr Bewusstsein.
Einen Moment lang - nur für einen kurzen Augenblick - versuchte sie, gegen die Dunkelheit anzukämpfen, die sie einzuhüllen drohte, aber sie hatte keine Kraft mehr. Sie überließ sich den watteartigen Wolken und der Dunkelheit und betete im Stillen darum, wieder davongetragen zu werden, weg von dieser Kapelle mit ihrem eiskalten Steinboden.
Dann wurde es schwarz um sie herum …
Pater Sebastian hörte Sofia leise stöhnen, drehte sich um und sah gerade noch, wie sie bewusstlos zusammenbrach.
Sogleich kniete er sich neben sie hin, griff nach ihrem Handgelenk und fühlte ihren Puls.
Der war stark und regelmäßig.
In dem Moment ging die Tür auf, und auf der Schwelle erschienen Pater Laughlin und Schwester Mary David.
»Ach, du meine Güte«, entfuhr es Pater Laughlin, als er Sofia auf dem Boden liegen sah. »Geht es ihr gut?«
»Selbstverständlich nicht!«, gab Pater Sebastian trocken zurück. »Wäre sie sonst überhaupt hier?« Er blickte zu dem alten Priester hoch, dessen Gesicht im gelblichen Schein der flackernden Kerzen leichenblass wirkte. »Und ich glaube, dass sie weitaus größere Probleme hat, als ich vermutet habe. Ohnmacht ist häufig die Folge, wenn der Leib und das Blut Christi an jemanden gegeben werden, der vom Bösen besessen ist.«
Pater Laughlin und Schwester Mary David bekreuzigten sich.
Gleichzeitig griff Pater Sebastian unter Sofias Schultern und Knie und hob sie vom Boden auf. »Aber sie wird sich wieder erholen«, sagte er leise und beugte den linken Arm so, dass Sofias Kopf in seiner Armbeuge zu liegen kam. »Wenn wir gute Arbeit leisten, wird unser Glaube sie reinigen.«
Pater Laughlin beeilte sich, die Tür zur Sakristei zu öffnen, damit sein Amtsbruder das Mädchen hinaustragen konnte.
Schwester Mary David folgte ihnen und schloss hinter sich sorgfältig die Tür.
Die beiden Kerzen, die einzige Beleuchtung in der Kapelle, flackerten und verloschen gleich darauf.
Die Kapelle versank wieder in derselben Dunkelheit, die Sofia Capellis Seele vor wenigen Minuten verschlungen hatte.
Ryan McIntyre sah sich in dem riesigen Speisesaal um, suchte in dem wogenden Meer von Schülern nach einem bekannten Gesicht, konnte keines entdecken und stellte sich in der Schlange vor der Essensausgabe an. Und während er nach einem Satz Besteck griff, das in eine Serviette gewickelt war, sah er mitten im Saal eine Hand in die Höhe schnellen und ihm zuwinken.
Melody Hunt.
Und sie bedeutete ihm, dass sie den Platz neben sich für ihn freigehalten habe.
In der stillen Hoffnung, dass sie nicht nur eine Gelegenheit gesucht hatte, mit ihm über katholische Geschichte zu debattieren, bahnte sich Ryan einen Weg durch die schmalen Tischreihen. Dabei eckte er zweimal an und balancierte sein Tablett so ungeschickt vor sich her, dass von der Coca-Cola in dem Glas ein guter Teil über den Teller mit Hackbraten, Kartoffelbrei und Soße schwappte.
Was optisch keinen großen Unterschied machte und geschmacklich wahrscheinlich auch nicht, dachte er bei sich.
Er stellte sein Tablett neben dem
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