Das Teufelslabyrinth
verzichtet haben, nur um jemanden wie mich zu besuchen?« Der Papst ließ sich in einem Sessel nieder, der eigens für seine kleine Statur angefertigt worden war, und forderte Morisco auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Eure Heiligkeit zu besuchen ist mir stets eine besondere Freude«, begann Morisco, doch abermals wischte der Papst derartige Förmlichkeiten mit einem Fingerzeig beiseite.
»Kommen wir doch gleich auf den Punkt zu sprechen, dann können Sie zu Gianni gehen und ich - nachdem ich Sie nicht mehr dorthin begleiten darf - kann die Arbeit beenden, die heute noch auf mich wartet.«
»Wenn Sie sehen, was ich gesehen habe«, erwiderte Morisco und erlaubte sich die legere Vertrautheit, die ihn und Pietro Vitali seit nunmehr zwanzig Jahren verband, »dann werden Sie sich ins Gianni’s wünschen oder zumindest veranlassen, dass man Ihnen eine Flasche von seinem besten Sagrantino rüberschickt.« Als der Papst skeptisch die Stirn runzelte, reichte Morisco ihm das Fax von Pater Laughlins Bericht an Kardinal Rand in Boston.
Der Pontifex überflog den Bericht in wenigen Sekunden. »Schon wieder ein Exorzismus?«, meinte er, im Stillen seufzend. Wenn er bereits ein oder zwei Jahre im Amt wäre, könnte er derartige Angelegenheiten abwimmeln. In diesem Fall jedoch war es vernünftiger, dem Kardinal zwanzig Minuten seiner Zeit zu widmen und ihm zuzuhören, als dieselben zwanzig Minuten damit zu verbringen, dem Kardinal auseinanderzusetzen, dass er viel zu viel über diese alten Riten wusste, um sich von einem weiteren aus der Flut von Berichten über erfolgreich absolvierte Exorzismen beeindrucken zu lassen, die sich bisher ausnahmslos als Produkte der ausufernden Fantasien einzelner Priester herausgestellt hatten.
Kardinal Morisco schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das hier ist etwas anderes.« Er lud den Videoclip und stellte den Laptop auf das Tischchen neben dem Sessel des Papstes und setzte sich wieder.
Kurz darauf flackerte ein Bild auf, und der Pontifex verfolgte gespannt den Beginn der Teufelsaustreibung und drehte alsbald die Lautstärke höher.
»Ich fürchte, die Aufnahmen sind etwas diletan…«, entschuldigte sich der Kardinal, woraufhin ihm der Papst mit erhobener Hand Schweigen gebot und weiterhin gebannt auf den Monitor starrte.
Während des Verlaufs des Exorzismus erkannte der Papst einige Elemente dieses uralten Rituals wieder, obgleich er selbige niemals mit eigenen Augen beobachtet hatte. Kaum war das Video zu Ende, ließ der Papst es noch einmal ablaufen und konzentrierte sich diesmal auf den Priester, der den Exorzismus durchführte.
Der Mann arbeitete mit großer Überzeugung.
Er wusste, was er da tat.
Und er tat es augenscheinlich nicht zum ersten Mal.
Am Ende der Aufzeichnung verschränkte der Papst die Finger, stützte sein Kinn darauf und richtete sich kurz darauf in seinem Sessel auf. »Das ist wirklich sehr interessant, Guillermo. Sie haben recht daran getan, mir den Bericht und das Video vorzulegen.« Der Kardinal entspannte sich sichtbar. »Verraten Sie mir, wer dahintersteckt?«
»Sein Name ist Pater Sebastian Sloane«, antwortete Morisco, worauf der Papst seinen Puls ansteigen spürte. »Bis vor kurzem war er Lehrer in Notre Dame.«
»Ich habe von ihm gehört. Seine Doktorarbeit beschäftigte sich mit den Teufelsaustreibungen im Mittelalter.«
»Welche Sie selbstverständlich gelesen haben«, bemerkte Morisco trocken. »Warum überrascht mich das nicht?«
»Nach den Beschlüssen des letzten Konklaves sollte ich eigentlich vermuten dürfen, dass Sie nichts mehr überraschen kann, verehrter Guillermo«, erwiderte der Papst. Um seine Mundwinkel spielte ein listiges Grinsen. »Und tun Sie nicht so, als hätten Sie nicht angenommen, dass ich Pater Sebastians Dissertation gelesen habe - ich glaube, ich habe sogar vor einigen Jahren mit Ihnen darüber gesprochen.« Dann lächelte er ein wenig wehmütig. »Das war bei Gianni, wenn ich mich recht entsinne.« Sein Lächeln erlosch. »Und wo ist er jetzt?«
»An einem kleinen Internat in Boston.«
»Boston?«, wiederholte der Papst. »Das hat in Boston stattgefunden?«
Kardinal Morisco nickte schweigend.
»Ich möchte, dass Sie Boston antworten, Guillermo. Sagen Sie ihnen, wenn Pater Sebastian wiederholen kann, was ich heute Abend gesehen habe, dann werde ich meine
Reiseroute nach Ostern ändern und einen Besuch in Boston einschieben.«
»Einen Besuch?« Kardinal Morisco war sichtlich schockiert von der Aussicht, zu
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