Das Teufelslabyrinth
schlossen sich ihre Finger um das kleine Kreuz, das sie immer an einer Kette mit Rosenkranzperlen um den Hals trug.
Unmöglich, aber es schien sich in ihrer Hand zu biegen, sich unter ihrer Berührung zu krümmen.
Als hätte sie ein heißes Bügeleisen angefasst, zuckte ihre Hand zurück, doch ihr Zeigefinger hatte sich in der Kette verfangen. Die Kette riss und fiel auf den Tisch.
In stummem Entsetzen senkte Sofia den Blick auf die Kette. Was hatte sie getan? Die Perlen hatte ihr ihre Großmutter geschenkt, die sie ihr ganzes Leben lang getragen hatte!
»Was hast du denn?«, fragte Darren noch einmal und sammelte rasch die Perlenschnur mit dem Kreuz auf, ehe sich die Perlen aus der Kette lösten und zu Boden kullerten. »Was ist denn nur los mit dir?«
Sofia antwortete nicht, hielt nur stumm die Hand auf.
Darren zögerte einen winzigen Moment, ehe er die Kette in ihre Hand fallen ließ.
Kaum hatte der Rosenkranz ihre Haut berührt, begann er sich zu bewegen, und die einzelnen Perlen schlängelten sich wie eine Handvoll Schlangen.
Glühend heiße Schlangen.
Den Gestank von verbranntem Fleisch in der Nase, sprang Sofia von ihrem Stuhl auf, und ein einzelnes Wort brach aus ihrer Kehle hervor: »Neiiin!«, kreischte sie und schleuderte den Rosenkranz mit dem Kruzifix an die Wand, wo die Kette endgültig zerriss und die Perlen auf den Fußboden prasselten.
Ohne Darren Bender oder irgendwen sonst auch nur eines Blickes zu würdigen, floh Sofia Capelli aus dem Speisesaal.
29
Nach sechs Monaten Pontifikat hatte Seine Heiligkeit, Papst Innozenz XIV., sich noch immer nicht ganz an den Prunk seines neuen Zuhauses oder an seinen neuen Namen gewöhnt. Als er vor über vierzig Jahren erstmals in den Vatikan gekommen und von Papst Johannes XXIII. in eben diesen Räumlichkeiten empfangen worden war, hatte er nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass er selbst einmal diese Räume bewohnen könnte. Genau genommen kam ihm diese Möglichkeit erstmals beim sechsten Wahlgang des letzten Konklaves in den Sinn, als er geglaubt hatte, es müsse ein Irrtum vorliegen,
als sein Name bei der Stimmenauszählung verlesen wurde; er hatte eine einzige Stimme erhalten. Beim siebten Wahlgang hatte er bereits mehr als fünfzig Stimmen erhalten und war im zehnten Wahlgang zum Papst gewählt worden, ein Ereignis, das ihn weit mehr erstaunt hatte als die Welt draußen vor den Mauern der Sixtinischen Kapelle.
In seiner Vorstellung war er immer noch Pietro Vitali aus den toskanischen Hügeln nördlich von Rom.
Und er genoss es nach wie vor, allein an seinem Schreibtisch ein leichtes, einfaches Abendessen zu sich zu nehmen, während er nebenbei versuchte, die Arbeiten des Tages zu Ende zu führen, auch wenn dieser Schreibtisch jetzt in den päpstlichen Privatgemächern stand. Kaum hatte er seine Gabel auf den leeren Teller gelegt, wurde beides von einem Diener fortgezogen, der auf genau die geisterhafte Art und Weise aus dem Nichts aufzutauchen pflegte, die die Kirche so sehr missbilligte. Nachdem der Diener den Raum ebenso lautlos verlassen hatte, wie er erschienen war, trank der Papst eine Tasse Tee und gestattete sich einen Moment der Ruhe, wobei er die herausragenden Kunstwerke betrachtete, die die Wände in diesem Raum schmückten.
Gerade grübelte er über die Armut der Priesterschaft nach, als ein leises Klopfen an der Tür seinen letzten Termin für diesen Tag ankündigte.
»Kardinal Morisco, Eure Heiligkeit«, verkündete der junge Priester aus der Schweiz, der als sein Sekretär fungierte, beim Öffnen der Tür.
Mit einem leisen Seufzer erhob sich der Papst aus seinem Schreibtischsessel. Eigentlich hatte er den Kardinal an diesem Abend nicht mehr empfangen wollen; er war müde und hatte vor dem Zubettgehen noch eine Menge
Akten durchzulesen, aber Morisco war in seiner Bitte hartnäckig geblieben, und der Terminkalender für den nächsten Tag war randvoll. Also bedeutete er seinem Sekretär durch ein Nicken, dass er bereit für den Besucher sei, und als er zur Tür ging, sah er den Kardinal bereits vor seinem Büro stehen. Gleich nach dem Eintreten sank der Kardinal vor dem Heiligen Vater auf die Knie, um den goldenen Ring des Fischers zu küssen, doch der Papst bedeutete ihm mit einer kurzen Handbewegung aufzustehen, während der Sekretär sich genauso leise zurückzog wie zuvor der Diener. »Um diese späte Stunde ist das nicht nötig, Guillermo. Was ist denn so wichtig, dass Sie auf Ihr Abendessen bei Gianni
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