Das Teufelsspiel
Mobiltelefon? Ein Pager? Die waren in der Schule nicht gestattet. Genevas Herz schlug ihr trotzdem bis zum Hals. Sie fragte sich, was dieses Geschenk zu bedeuten hatte. Sollte sie ihn anrufen, falls ihr Gefahr drohte? Oder wollte er dafür sorgen, dass sie für ihn ständig erreichbar blieb?
»Das ist ja klasse«, sagte sie und nahm das Gerät genauer in Augenschein. Sie erkannte, dass es sich weder um ein Telefon noch um einen Piepser handelte, sondern um einen elektronischen Organizer. Ähnlich wie ein Palm Pilot.
»Da sind Spiele drauf, ein Internetanschluss, E-Mail. Alles drahtlos. Diese Dinger sind total cool.«
»Danke. Aber … na ja, das ist bestimmt ganz schön teuer, Kevin. Ich weiß nicht, ob …«
»Oh, keine Sorge, Gen. Du wirst es dir verdienen.«
Sie sah ihn an. »Es mir verdienen?«
»Hör gut zu. Es ist ganz einfach. Die Jungs und ich haben es ausprobiert. Das Teil ist bereits mit meinem verbunden.« Er klopfte auf seine Hemdtasche. »Du machst Folgendes … also erstens, vergiss nicht, es zwischen den Beinen zu behalten. Am besten wäre, du hättest einen Rock an. Da schauen die Lehrer nämlich nicht nach, sonst könntest du sie verklagen. So, bei der ersten Frage des Tests drückst du den Knopf mit der Eins da. Siehst du? Dann drückst du die Leertaste, und dann tippst du die Antwort ein. Bis hierhin alles klar?«
»Die Antwort?«
»Dann … hör gut zu, das ist wichtig. Du musst diesen Knopf da drücken, um es an mich abzuschicken. Den kleinen Knopf mit der Antenne drauf. Wenn der nicht gedrückt wird, wird nichts gesendet. Bei der zweiten Frage drückst du die Zwei, dann die Antwort.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Er lachte über ihre Begriffsstutzigkeit. »Was hast du denn gedacht? Wir haben eine Abmachung, Gen. Ich halte dir draußen den Rücken frei. Und du mir dafür hier drinnen.«
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Sie sah ihm direkt in die Augen. »Du willst betrügen.«
Er runzelte die Stirn. »He, nicht so laut.« Er sah sich um.
»Das meinst du nicht ernst. Das ist ein Scherz.«
»Ein Scherz? Nein, Gen. Du wirst mir helfen.«
Keine Bitte. Ein Befehl.
Sie fühlte sich, als würde etwas ihr die Kehle zuschnüren. Ihr Atem beschleunigte sich. »Das mache ich nicht mit.« Sie streckte ihm den Organizer entgegen. Er nahm ihn nicht.
»Was ist dein Problem? Ich hab jede Menge Mädchen, die mir helfen.«
»Alicia«, flüsterte Geneva entrüstet und nickte bei dem Gedanken an das Mädchen, das bis vor kurzem in ihrem Mathekurs gesessen hatte. Alicia Goodwin, eine begabte Schülerin, vor allem in Mathematik. Sie war mit ihren Eltern nach Jersey gezogen und hatte die Schule gewechselt. Sie und Kevin waren eng befreundet gewesen. Das also steckte hinter allem: Kevin hatte eine neue Hilfskraft gesucht und sich für Geneva entschieden, eine bessere Schülerin als ihre Vorgängerin, aber nicht annähernd so hübsch. Geneva fragte sich, wie tief sie wohl schon gesunken sein mochte. Zorn und Schmerz loderten in ihr wie Flammen in einem Hochofen. Das hier war sogar noch schlimmer als der Überfall im Museum. Der Mann mit der Maske hatte wenigstens nicht so getan, als wäre er ihr Freund.
Judas …
»Du hältst dir eine Schar Mädchen, die dich mit Antworten versorgen?«, fragte sie wütend. »Wie sähe dein Notendurchschnitt ohne sie aus?«
»Ich bin nicht dumm, Kleine«, flüsterte er aufgebracht. »Aber ich muss mir diesen Scheiß nicht antun. Ich werde Basketball spielen und für den Rest meines Lebens haufenweise Kohle kassieren. Da ist es doch für alle am besten, wenn ich zum Training gehe, anstatt über den Büchern zu hocken.«
»›Für alle‹.« Sie lachte verbittert auf. »So kommst du also zu deinen Zensuren: Du stiehlst sie. Als würdest du jemandem am Times Square die Goldkette klauen.«
»Yo, Kleine, ich rate dir, pass auf, was du sagst«, flüsterte er drohend.
»Ich helfe dir nicht«, murmelte sie.
Da lächelte er und bedachte sie mit einem anzüglichen Blick. »Es wird sich für dich lohnen. Komm zu mir nach Hause, wann immer du willst, und ich besorg’s dir gründlich. Sogar mit der Zunge. Auf dem Gebiet kenn ich mich aus.«
»Geh zum Teufel«, rief sie. Mehrere Köpfe wandten sich zu ihnen um.
»Hör gut zu«, knurrte er und packte sie fest am Arm. Es tat weh. »Du hast den Arsch einer Zehnjährigen und führst dich auf wie irgendein Blondie aus Long Island, das sich für was Besseres hält. Ein kraushaariges Miststück wie du kann es sich
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