Das Teufelsspiel
teilnehmen.«
»Geneva, du weißt nicht, wie stur ich sein kann. Ich habe vor, dich am Leben zu erhalten, und falls ich dich dazu unter den Arm klemmen und zu meinem Wagen schleppen muss, dann werde ich das tun, verlass dich drauf.« Seine dunklen, sonst so sanftmütigen Augen funkelten und drückten felsenfeste Entschlossenheit aus.
»Also gut«, murmelte sie.
Sie gingen weiter, wobei der Detective sich beständig umsah und jeden schattigen Winkel überprüfte. Geneva fiel auf, dass er seine Hand in der Nähe des Gürtels hielt. In der Nähe der Waffe. Gleich darauf kehrte der blonde Streifenbeamte im Laufschritt zu ihnen zurück. »Ich hab ihn verloren«, erklärte er keuchend. »Tut mir Leid.«
Bell seufzte. »Können Sie ihn wenigstens genauer beschreiben?«
»Schwarz, eins achtzig, kräftige Statur. Hinkt. Schwarzes Kopftuch. Kein Bart. Ende dreißig, Anfang vierzig.«
»Ist dir noch etwas aufgefallen, Geneva?«
Sie schüttelte mürrisch den Kopf.
»Okay«, sagte der Detective. »Dann lasst uns von hier verschwinden.«
Sie setzte sich auf die Rückbank von Bells Ford. Der junge Officer nahm neben ihr Platz. Mr. Bell ging zur Fahrertür. Die Psychologin, die sie bereits kannten, Mrs. Barton, kam stirnrunzelnd angelaufen. »Detective, was ist passiert?«
»Wir müssen Geneva von hier wegbringen. Es besteht der Verdacht, dass einer der Leute, die ihr Schaden zufügen wollen, sich ganz in der Nähe aufgehalten hat. Soweit wir wissen, könnte das auch immer noch der Fall sein.«
Die vollschlanke Frau sah sich argwöhnisch um. »Hier?«
»Wir sind uns nicht sicher. Es ist möglich, das ist alles. Aber wir dürfen kein Risiko eingehen.« Er hielt kurz inne. »Wir glauben, dass er vor ungefähr fünf Minuten hier gewesen ist, ein Afroamerikaner, ziemlich kräftig, mit grüner Armeejacke und einem Kopftuch. Er ist glatt rasiert, und er humpelt. Er war auf der anderen Seite des Schulhofs, bei dem großen Lastwagen da drüben. Könnten Sie die Schüler und Lehrer fragen, ob jemand ihn kennt oder etwas gesehen hat?«
»Natürlich.«
Er bat sie, außerdem zu überprüfen, ob eine der Überwachungskameras der Schule den Verdächtigen erfasst hatte. Die beiden tauschten ihre Telefonnummern aus. Dann setzte der Detective sich ans Steuer und ließ den Motor an. »Alles anschnallen. Wir werden ein bisschen auf die Tube drücken.«
Genevas Gurtschloss war kaum eingerastet, als Bell auch schon das Gaspedal durchtrat und den Wagen durch die holprigen Straßen von Harlem davonrasen ließ. Die Langston Hughes Highschool – Genevas letztes Refugium der Ordnung und Sicherheit – verschwand außer Sicht.
Während Amelia Sachs und Lon Sellitto die in dem Versteck an der Elizabeth Street sichergestellten Beweise auspackten, dachte Rhyme über den Komplizen von Täter 109 nach – den Mann, der Geneva auf dem Schulgelände soeben verdammt nahe gekommen war.
Der Täter hatte ihn eventuell nur zu Überwachungszwecken eingesetzt, doch angesichts der Gewaltvergangenheit des ehemaligen Sträflings und der Tatsache, dass er bewaffnet war, mussten sie davon ausgehen, dass auch er beabsichtigte, Geneva zu ermorden. Rhyme hatte gehofft, der Mann könnte beim Schulhof irgendwelche Spuren hinterlassen haben, aber ein dorthin beordertes Team der Spurensicherung hatte alles sorgfältig abgesucht und nichts gefunden. Zudem war es ihnen nicht gelungen, Augenzeugen zu ermitteln, die den Verdächtigen oder seine Flucht beobachtet hatten. Vielleicht …
»Hallo, Lincoln«, sagte eine Stimme.
Rhyme blickte erschrocken auf und sah einen Mann ganz in seiner Nähe stehen. Mitte vierzig, mit breiten Schultern und kurzer silbriger Ponyfrisur. Er trug einen teuren dunkelgrauen Anzug.
»Doktor. Ich habe die Türglocke gar nicht gehört.«
»Thom war draußen. Er hat mich hereingelassen.«
Robert Sherman, der Arzt, der Rhymes Physiotherapie beaufsichtigte, leitete eine Spezialklinik für Patienten mit Rückenmarksverletzungen. Er hatte Rhymes Trainingsprogramm zusammengestellt, das Ergometer und den Laufapparat ebenso wie die Wassertherapie und die traditionellen Bewegungsübungen, die Thom an Rhyme vornahm.
Nachdem Sherman nun auch Sachs begrüßt hatte, ließ er den Blick durch das geschäftige Labor schweifen. Aus therapeutischer Sicht freute es ihn, dass Rhyme eine Aufgabe hatte. Sich einer Arbeit zu widmen, führe zu einer enormen Stärkung der Willenskraft und des Wunsches, seine Lage zu verbessern, sagte er oft (wenngleich er Rhyme
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