Das Teufelsweib
roten Schleier. Was nun? dachte Putois fieberhaft. Wieviel weiß er? Das kann ja heiter werden, sagte er sich noch einmal. Aber er ermahnte sich, kaltes Blut zu bewahren.
Er nickte und sagte: »Ja. Es ist eines meiner besten Bilder. Ich habe, offen gestanden, noch nie eines lieber gemalt. Man hat nicht immer solche Modelle, wissen Sie.«
Dubois stellte das Bild ab und setzte sich unaufgefordert.
»Sie kennen dieses Modell?«
»Leider nein. Es nannte mir nie seinen Namen. Ich habe die Dame auch immer nur mit dem roten Schleier zu sehen bekommen.«
Dubois schnitt eine Grimasse. »Ich kann Ihre Neugier stillen: Das Modell ist meine Frau Manon. Manon Dubois!«
Putois tat überrascht: »Ihre Frau?«
Wußte Dubois etwa, daß Manon seine Geliebte war, und forderte er nun Rechenschaft?
Nun wurde es ernst. Putois sah sich verstohlen nach einem Gegenstand um, mit dem er versuchen konnte, Dubois niederzuschlagen, wenn dieser plötzlich eine Waffe ziehen sollte.
Aber nichts dergleichen geschah. Dubois sagte ruhig:
»Sie haben für das Bild allerhand bekommen.«
»15.000 Franc«, nickte Putois.
»Sieh, sieh, der gute Santerres war ja sehr großzügig. Nun, es ist auch ein schönes Bild …«
Er kennt auch Santerres, durchfuhr es Putois. Er weiß alles! Dann ist er todsicher hier, um mit mir abzurechnen. Ich muß Zeit gewinnen.
»Was wollen Sie eigentlich, Monsieur Dubois?« fragte er. »Mich zur Rechenschaft ziehen, weil ich Ihre Gattin nackt malte? Ich bin Maler. Ich erhielt einen Auftrag und fragte nicht näher. Ich malte, und man bezahlte mich. Was wollen Sie eigentlich?«
»Ich möchte Ihnen 200.000 Franc bieten«, sagte Dubois plötzlich.
»200.000 Franc? Wofür?«
»Für Ihr Atelier. Sie verkaufen mir Ihre Wohnung samt allem Inventar. Sie ziehen aus, sobald Sie das Geld haben. Warum, das kann Ihnen egal sein. Die Wohnung von Santerres, in der er sich mit meiner Frau getroffen hat, gehört mir schon. Ich zahle Ihnen die 200.000 Franc bar auf die Hand.«
Putois zögerte. Was will er mit meinem Atelier, fragte er sich. Daß er dafür eine solche Summe bietet, macht ihn verdächtig. Er hat irgendeine Schweinerei vor mit diesem Haus, er will an Manon Rache nehmen in einer Form, die mir unklar ist. Doch daß es eine Schweinerei ist, daran zweifle ich nicht.
»Ich bitte um Bedenkzeit bis morgen«, sagte er. »Sie werden verstehen, Monsieur Dubois, daß mich das Angebot im Augenblick noch verwirrt. Morgen um diese Zeit werde ich mir schlüssig sein.«
Dubois nickte und erhob sich. Er blickte Putois noch einmal sekundenlang schweigend an, nahm sein Bild unter den Arm und wandte sich zum Gehen.
»Lassen Sie bitte die Couch im Zimmer«, sagte er, als er sich umdrehte. »Gerade die Couch ist mir wichtig … Marcel Putois …«
Er war sich also schon absolut sicher, das Atelier zu bekommen, so sehr baute er auf die Macht des Geldes. An der Tür blieb er noch einmal stehen und sagte: »Ich verstehe etwas von Gemälden, ich besitze eine private Galerie. Ich kann aus Bildern lesen. Dieses hier –«, er hob seines ein wenig hoch, »wurde mit den Augen der Liebe, der Leidenschaft gemalt. Ich kann Ihnen das nicht übelnehmen, Putois, Sie wußten nicht, wer die Dame war, ich will Ihnen das glauben. Als Künstler haben Sie keine Hemmungen. Vielleicht muß das so sein, damit Sie schaffen können. Andererseits muß man auch mich verstehen, der ich kein Künstler bin, sondern ein verletzter gedemütigter Mensch, der sich zur Wehr setzt.«
Letzteres klang drohend. Mit diesen Worten verließ Dubois den Maler, der allein zurückblieb, allein mit sich und seinen Gedanken.
200.000 Franc – und dann weg von Paris, nichts mehr hören und sehen von dem ganzen Rummel, vom ganzen Lebenskampf. Was scherte mich noch Manon, was Santerres, was selbst Perpignac, der seit vier Wochen diese Manon suchte, um sie zur Hauptfigur eines Romans zu machen und nebenher natürlich auch zu seiner Geliebten. 200.000 Franc – und ein neues Leben beginnen, irgendwo im Süden, in der Provence, in Marseille, in Nizza. Die Welt ist so herrlich, wenn man nur Geld genug hat …
Er stand noch lange am Fenster, ehe er das Licht löschte, das Atelier verließ und sein kleines Stammlokal aufsuchte, in dem er immer zu Abend aß.
René Perpignac saß zur gleichen Zeit in einem der großen Sessel, die im weiten Halbrund um den mächtigen Schreibtisch des Chefredakteurs der ›Vie Française‹ standen.
Die Räume der ›Vie Française‹ waren noch nach dem
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