Das Teufelsweib
Muster altehrwürdiger Zeitungen eingerichtet – dicke Sessel, getäfelte Wände, stille Zimmer, besetzt von höflichen Redakteuren (ein krasser Gegensatz zu dem, was sie schrieben). Wenn es in Paris oder London oder New York oder sonstwo in der Welt einen Skandal gab, waren Reporter der ›Vie Française‹ zur Stelle und interviewten, fotografierten und sammelten so Material für ihr Blatt.
Nun war also Redaktionskonferenz, Chefreporter René Perpignac blickte in die Runde und fragte: »Kennt ihr Dubois?«
»Mann!« Im Mundwinkel des Chefredakteurs wippte böse die Zigarette. »Es gibt in Frankreich 200.000 Dubois' – wenn's reicht!«
»Ich meine den Pariser Dubois, den Millionär, draußen an der Seine.«
»Den Verwachsenen?«
»Ja.«
»Und? Ist er pleite? Oder hat er seine Finger wieder in Waffenschiebungen? Oder was sonst? Ich nehme doch an, daß Sie über ihn was bringen wollen.«
»Nicht über ihn – aber über seine Frau!«
»Manon Dubois?«
»Richtig! Sie führt das Leben einer Nutte, steigt von einem Bett ins andere. Sie überspannt diesbezüglich sogar in Paris den Bogen etwas. Ich kann, belegt durch Zeugen, Bilder und Beweise jeder Art, bis jetzt sieben Liebhaber innerhalb von vierzehn Tagen nachweisen!«
Der Chefredakteur schlug sich auf die Schenkel. Sein Lachen war frivol.
»Bitte die Anschrift dieser Dame!« sagte er dazu.
Man stimmte gebührend in sein Lachen ein und amüsierte sich. Dann aber beugte sich der Chefredakteur vor.
»Und was gedenken Sie mit diesen Informationen anzufangen, Perpignac? Wollen Sie einen Skandal entfesseln? Das kann uns eine Stange Geld vor Gericht kosten, wenn Ihr Material nicht hieb- und stichfest ist.«
»Ist es.« Perpignac nahm einen Zug aus seiner Zigarette und fuhr fort: »Ich dachte aber an einen Roman.«
»Einen Roman!« schrie der dicke Chef. »Sie wollen aus unserem Blatt ein Literaturblättchen machen. Wir taufen es um, mein Bester, ›Die Musen von Paris‹. Zeitschrift für Schöngeister. Hahaha!«
Man schien in diesen Räumen solche Reden gewöhnt zu sein, denn niemand war erstaunt oder indigniert. Auch Perpignac antwortete in aller Ruhe:
»Es soll ein Tatsachenroman werden mit anderen Namen, nur der Name Manon wird übernommen! Auch die Orte der Handlung werden ziemlich genau umrissen. Jeder Pariser wird wissen, wer dieses Luder ist. Ich habe ein besonderes Interesse daran, denn sie vernichtete auch meinen besten Freund, den Sie ja alle kennen.«
»Seien Sie still, René«, amüsierte sich der Chef. »Gleich weine ich. Die Tragik Ihres lieben Putois greift mir ans Herz. Ich schluchze schon!«
Wieder wurde rundum gelacht. Perpignac blieb ungerührt und meinte hartnäckig:
»Was würden Sie sagen, wenn wir den Roman mit dem Einverständnis Dubois' veröffentlichen würden?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich!«
»Doch, doch, ich habe mit dem Alten gesprochen, er sinnt auf Rache, er steigert sich in einen Haß hinein, der an Irrsinn grenzt. Er plant sogar, seine Frau auf der Couch in Putois' Atelier in der Rue Randolph festzubinden und sie zu peitschen, bis das Blut über die Kissen rinnt, die einmal ihr Liebeslager waren. Und so will er es auch an allen anderen Stätten halten, wo sie ihn betrogen hat.«
»Wie im Mittelalter.« Der Chefredakteur schüttelte sich, überlegte noch einmal kurz, sagte aber dann: »Gut, schreiben Sie das Zeug. Wie soll der Titel lauten?«
»Einfach ›Manon‹, mehr nicht. Eine halbe Seite pro Tag. Putois wird vielleicht einige Zeichnungen zur Illustration beisteuern … ein besonderer Reiz, denn er würde uns Zeichnungen liefern, die nahe an der Grenze liegen.«
»Gut«, nickte der Chef noch einmal sein Einverständnis.
»Noch etwas.« Perpignac erhob sich. »Manon ist seit einigen Tagen aus Paris verschwunden. Niemand weiß, wo sie ist. Putois sucht sie. Ich nehme an, daß sie an der Côte d'Azur ist. Wenn wir den Roman sofort starten, ist diese Manon Dubois vernichtet, noch ehe sie nach Paris zurückkehrt.«
»Warum hassen Sie eigentlich diese Frau so?« stellte der Chef eine letzte Frage.
Perpignac drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, während er entgegnete:
»Weil sie meinen Freund Putois verraten hat. Ich habe sie einen Tag, ehe sie verschwand, im Bois de Boulogne getroffen. Ich sprach sie an, machte ihr ein paar Komplimente und sagte ihr dann frei ins Gesicht, daß ich sie begehre. Und schon passierte es, hinter dem nächsten Busch. Wie eine Hündin dem Hund, so gehörte sie mir
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