Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
Schablonenschrift der Name der Ölfirma stand.
    »Golmud?« fragte er ungläubig.
    Winslow nickte. »Zur Operationszentrale des Projekts. Dort können wir mehr über Zhus Team herausfinden. Wenn es stimmt, was Jenkins mir erzählt hat, hat dort jemand auf Larkins elektronisches Postfach zugegriffen.«
    »Wann?«
    »Vor zwei Wochen.«
    »Aber das war doch noch vor ihrem Tod«, wandte Shan verwirrt ein.
    »Stimmt, nur hielt Melissa sich zu dem Zeitpunkt angeblich in den Bergen auf. Jemand hat vor zwei Wochen in Golmud ihr Paßwort benutzt.«
    Shan starrte den Amerikaner an und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
    Er wollte sich an der Seitenwand abstützen, um aufzustehen. »Lokesh.«
    »Lokesh wird es kaum etwas nützen, wenn man Sie verhaftet«, unterbrach ihn die Stimme einer Frau.
    Sie fuhren beide herum und sahen, daß sich aus dem Kleiderhaufen eine Gestalt erhob. Shan starrte die schlanke, sehnige Frau an, die als einzige Person im Öllager Lokesh gekannt hatte.
    »Das ist Somo«, hörte er sich zu dem Amerikaner sagen.
    »Sie kennen sie?« fragte Winslow argwöhnisch.
    »Wir sind uns schon mal begegnet und haben gemeinsame Freunde. Sie haben Somo auch schon gesehen - sie hat uns die Jacken und Helme gegeben.«
    Winslow nickte der purba zu. »Dafür sind wir Ihnen was schuldig«, sagte er und sah dann wieder Shan an. »Demnach ist sie eine.«
    »Eine Freundin.«
    Winslow nickte erneut.
    Somo setzte sich neben Shan. »Wir werden herausfinden, wohin man Lokesh bringt. Ich weiß, daß er viele Jahre im lao gai zugebracht hat. Er wird wissen, wie man überlebt.«
    »Nicht wenn man ihn für einen von Tenzins Helfern hält. Der Abt von Sangchi«, sagte er und versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß der schlanke stille Mann zu den berühmtesten Lamas von ganz Tibet zählte.
    »Warum wollen Sie nach Golmud?« fragte Shan sie.
    »Ich bin für das Projekt als Verwaltungsassistentin tätig. Man hat mich versetzt«, erwiderte sie und warf dem Amerikaner einen vorsichtigen Blick zu.
    »Winslow hat uns geholfen«, sagte Shan und erklärte, wie der Amerikaner sie vor der Verhaftung durch Oberst Lin bewahrt hatte.
    Die Frau nickte langsam, als sei ihr nun klargeworden, daß Shan sie bat, etwas mehr Vertrauen zu fassen. »Ich habe um die Versetzung gebeten. Das war Teil des Plans.
    Ich soll mir. ich sollte mir in der Zentrale Zugang zum Hauptcomputer verschaffen und eine Personalakte anlegen, nach der Tenzin als Arbeiter bei der Ölfirma angestellt ist. Dann wollten wir ihn einem Lager im hohen Norden zuteilen lassen, nahe der Grenze zur Mongolei. Von dort aus wäre es einfach gewesen, ihn hinauszuschaffen. Erst in die Mongolei, dann weiter nach Rußland und über Europa nach Amerika. Er sollte im Westen wichtige Leute treffen, die Tibet helfen können.«
    »Und die Regierung hat ihn an der indischen Grenze gesucht«, sagte Shan. »Dort hat Drakte also während der Wochen gesteckt, nachdem er uns zu der Einsiedelei geführt hatte, nicht wahr? Er war verschwunden. Er ist nach Süden gegangen, um eine falsche Fährte zu legen.«
    Somo senkte den Kopf und biß sich auf die Unterlippe, als würden Shans Worte ihr Schmerz bereiten. »Unser Anführer, der all das geplant hat, sagte, Drakte sei der Beste für solch eine Aufgabe. Also ist Drakte im Süden durch die Städte gezogen und hat dort erzählt, er habe den Abt nachts in der Gegend gesehen. Er hatte sogar Sachen des Abtes bei sich, die Tenzin angeblich gegen Nahrungsmittel eingetauscht hatte. Für die Kriecher sah es nach einer Reihe von Spuren aus, die zur indischen Grenze führten.«
    »Was für Sachen hatte er dabei?« fragte Shan.
    »Persönliche Dinge, die jeder Ermittler leicht identifizieren konnte: Ein Stiftetui. Ein altes Buch, das der Abt von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte. Ein Gebetsamulett, mit dem er mal fotografiert worden war. Man schärfte Tenzin ein, daß nichts aus seinem früheren Leben zurückbleiben dürfe, weil seine Besitztümer ihn sonst trotz aller Verkleidung verraten würden.«
    Shan betastete die elfenbeinerne Gebetskette in seiner Tasche. Hatte Drakte einen, vielleicht den wertvollsten aller Gegenstände behalten, um ihn Tenzin bei dessen Abreise aus China zurückzugeben?
    »Dann haben wir Tenzin verändert«, fuhr Somo fort. »Die Art, wie er ging. Wir ließen seine Haare wachsen und brachten ihm bei, sich wie ein dropka zu verhalten.«
    »Klingt idiotensicher«, sagte Winslow.
    »Eigentlich ja«, pflichtete Somo ihm bei.

Weitere Kostenlose Bücher