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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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Botschafter kennt die Wahrheit und wird von irgendjemand zum Schweigen gezwungen?«
    »Könnte doch sein. Erinnere dich an das Gespräch mit Tang Wu. Er vermutet auch, dass die Tibeter ein Geheimnis hüten, das
     alles erschüttern würde, wenn es bekannt würde.«
    »Stimmt.« Sie hatte alle Steine gelegt.
    Decker sah Li Mai misstrauisch an. Soviel Zustimmung schien ihm verdächtig. »Na bitte. Und jetzt denk nach. Was wäre denn
     das Schlimmste, was in Tibet überhaupt passieren könnte?« Er machte eine Pause und sagte: »Was wäre der tibetische Supergau?«
    »Du meinst   ...« Li Mai setzte einen Fuß auf die Kante und trat den Tisch schwungvoll um. Sämtliche Steine fielen weit verstreut auf den
     Boden. »...   wenn rauskäme, dass diese gesamte Religion und ihr Oberhaupt gar nicht das sind, was sie vorgeben zu sein.«
    »Voilà. Das wäre für den Gottesstaat und den Dalai Lama die Katastrophe schlechthin. Ein größeres Desaster wäre kaum denkbar.«
     Decker und Li Mai blickten auf den umgekippten Tisch. Sie zuckte die Schultern. »Kollateralschaden |230| .« Dann blickte sie ihn an. »Wenn das stimmt, dann dürfte so ein Geheimnis in der Tat niemals auffliegen.«
    Und in dem Moment dachten wohl beide das Gleiche. Aber Li Mai sprach es als erste aus: »Das wäre natürlich auch einen Mord
     wert.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Aber was hat denn Hitler mit alledem zu tun?«
    »Das frage ich mich auch schon ziemlich lange.«
    »Gibt es da eine Verbindung?«
    »Ich könnte mir den Grund dafür vorstellen, warum Hitler sich für diese merkwürdige Religion so interessierte. Eigentlich
     ist es eine naheliegende Idee: Hitler wollte es machen wie Ashoka und Shrongtsam Gampo.«
    »Du meinst, er brauchte eine Ersatzreligion für die Deutschen?« Sie tippte mit ihren High Heels auf den Teppich und kickte
     ein paar Steine weg.
    »Was heißt hier die Deutschen? Er wollte ja ganz Europa beglücken.«
    »Vielleicht hast du ja recht. Er kam aus ziemlich kleinen Verhältnissen, oder?«
    Decker lachte. »Allerdings. Hitlers Vater war ein kleiner österreichischer Zollbeamter. Zu seinem Anhang gehörten zwar auch
     eine Menge Adelige und blaublütige Generäle aus alten Militärdynastien, die schon seit Generationen unter den deutschen Kaisern
     gedient hatten. Aber viele waren doch übler Pöbel aus der Hefe des Volkes. Mit einem religiösen Kult aus Tibet hätte er sich
     und seinen Parteimitgliedern, ja der ganzen ›Volksgemeinschaft‹ so einen feinen spirituellen Überbau geben können, eine Rechtfertigung
     aus dem ›Land der Götter‹. Das hätte ihm sicher gefallen, und sein treuester Gefolgsmann Heinrich Himmler, dieser eklige Spießer
     und Massenmörder |231| , wollte ihm dazu verhelfen. Deshalb hat er die Expeditionen nach Lhasa geschickt.«
    Li Mai biss sich auf die Lippen.
    »Ich weiß noch nicht genau, wie er das im einzelnen machen wollte«, sagte Decker. »Aber das kriegen wir auch noch raus.«
    Li Mai war noch nicht ganz zufrieden. »Aber wenn der tibetische Buddhismus gar kein Buddhismus ist   ... Was ist er denn dann?« Sie nahm wieder ihr Glas und setzte sich.
    »Das wüsste ich auch gerne. Um das zu beantworten, brauche ich ein Gespräch mit einem Experten für die asiatischen Religionen.«
    »Das dürfte machbar sein«, sagte Li Mai und trank aus.
    »Gut. Und dann wäre da noch etwas. Ich würde gern die Berichte der S S-Expedition von 1938 sehen. Die müssen doch irgendwelche Aufzeichnungen gemacht haben.«
    »Das wird schwer.«
    »Du schaffst das schon«, lachte Decker. Aber er wusste, dass wahrscheinlich nur ein deutsches Archiv in Frage kam. Und da
     in so kurzer Zeit Zugang zu finden, war kein leichtes Spiel. »Wo ist mein Whisky?« Er überlegte einen Moment und sagte: »Als
     nächstes wollen wir mal sehen, ob dein Vorgesetzter eigentlich recht hat.« Er suchte sein Glas.
    »Womit?«
    »Mit seiner Behauptung, er könnte uns überall schützen.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns mal vor Ort umsehen. Ich finde es hier zwar langsam sehr gemütlich, |232| aber wir müssen die Maschine jetzt mal verlassen.« Er fand, was er suchte, und trank aus.
    »Wo willst du hin, nach Tibet?«
    »Später. Ich würde lieber erst mal nach Nepal. Dort müsste es Spuren geben. Ist das machbar?«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte Li Mai.
    Decker stellte sein Glas weg und zeigte auf den kleinen Tisch. »Sag mal, was ist das da eigentlich?«
    »Ein altes

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