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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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musste furchtbare Schmerzen haben. Automatisch zuckten Leromes Hände zur Arzttasche. Ein solch großes und massiges Geschöpf brauchte sicherlich hohe Dosen, bevor ein Betäubungsmittel wirken konnte.
    „Lassen Sie, Doktor, es ist schon gut. Ich will wach sein, wenn wir ankommen. Es wäre viel verlangt, mich tragen zu müssen.“ Das Tier lächelte ein wenig verzerrt. In diesem Moment regte sich Cyrian, murmelte „Thars!“ und schlief dann weiter.
    Lerome erkannte verblüfft die Tränen in den Augen seines Gegenübers.
    „Er verehrt mich“, sagte das Tier leise, die blonden Locken des Jungen streichelnd. „In seinem gesamten Leben hat sich nie jemand um ihn gekümmert. Niemand war freundlich zu ihm oder hat etwas für ihn getan, ohne Gegenleistung zu verlangen. Ich bin sein strahlender Held. Genau wie Sie, Doktor. Dafür, dass Sie mir helfen und ihn bleiben lassen, verehrt er sie nun mit seiner ganzen reinen Engelsseele … Brudfor mag wissen, wie es sein kann, dass dieser Junge nichts als Schläge, Verachtung und jede Art von Missbrauch erfahren hat und trotzdem so unschuldig bleiben konnte.“
    Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Tausende Fragen brannten in Lerome, aber er würde sie erst stellen, wenn er das Bein des Tiers gerettet hatte. Wie es danach weitergehen sollte, würde sich anschließend zeigen.

Cyrian war froh, als sie Thars in den Behandlungsraum führten, wo er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hinsetzen konnte. Zwei Diener hatten geholfen, ihn zu stützen, ohne Fragen zu stellen. Sicherlich ahnten sie nicht, wer er war, hielten ihn vielleicht für einen Fischer oder Matrosen. Abgesehen von Zottelbart und verfilzten Haaren gab es keinen Hinweis darauf, wer er war. WAS er war. Ungewöhnlich große und grobknochige Männer gab es schließlich nicht nur einmal auf der Welt.
    Doktor Lerome hantierte mit einem unförmigen metallischen Behälter herum, an dem beängstigend erscheinende Schläuche befestigt waren, während ein anderer Mann Thars half, sich auszuziehen und den Notverband abzuwickeln.
    „Cyrian, du könntest den Wundbereich schon einmal reinigen“, sagte der Doktor und wies auf eine Schüssel mit dampfendem Wasser, neben der Tücher bereitlagen. Ohne Scheu folgte Cyrian dieser Aufforderung. Er hatte in den vergangenen Jahren ganz andere Dinge getan, Berührungsängste kannte er nicht. Thars lag mittlerweile still auf dem Behandlungstisch, die Augen geschlossen, und rührte sich nicht. Auch nicht, als Cyrian etwas mehr Druck aufwenden musste, um das verkrustete Blut entfernen zu können. Es war beeindruckend, wie riesig dieser Mann war. Sein Oberschenkel besaß beinahe mehr Umfang als Cyrians Brust. Alles stahlharte Muskeln. Und was dort zwischen Thars‘ Beinen ruhte … Brudfors Gnade!
    „Wir geben ihm gleich Stickoxydul gegen die Schmerzen“, sagte Doktor Lerome und nahm ihm den Lappen ab. „Du kennst es vielleicht unter dem Namen Lachgas. Es würde helfen, wenn du die Maske mit dem Schlauch hältst und ein Auge auf Thars’ Atmung hast, dann haben Marwin und ich die Hände frei.“
    Cyrian beobachtete, wie der Doktor und Marwin sich schier endlos wuschen und jeder einen Kittel überzogen, dazu seltsame Kappen, unter denen die Haare vollständig verborgen waren. Wenn er da an die Ärzte in seinem Viertel dachte … Schnaps war zumeist das einzige Schmerzmittel, diente zugleich zum Reinigen der Wunden und Behandlungswerkzeuge sowie als Konzentrationshilfe für den Arzt. Waschen war eher ein Fremdwort, es wurde viel gebrüllt – sei es vor Schmerz oder um Anweisungen zu geben – und Verbandsmaterial brachte man besser selbst mit, wenn man nichts umgewickelt bekommen wollte, was bereits mehrfach in Nutzung gewesen war. Die Behandlungsräume glichen eher einer Mischung aus Folterkammer und Schlachthaus und wer dorthin ging, war zu verzweifelt, um Krankheit oder Verletzung allein durchzustehen. Vor solchen Zuständen hatte Cyrian Angst gehabt, als Doktor Lerome ihn zum Helfer bestimmt hatte. Aber so wie Doktor Lerome es handhabte, da würde er gerne mitarbeiten und tun, was immer er konnte und man ihm befahl.
    „Thars, wir beginnen jetzt. Wir legen Ihnen eine Maske über Mund und Nase, atmen Sie bitte tief ein.“
    Mit einem Nicken wurde Cyrian aufgefordert, die befremdlich aussehende Maske fest auf Thars’ Gesicht zu pressen. Es dauerte etwa eine Minute, dann wich alle Anspannung aus den Muskeln des Tiers. Thars war nicht völlig bewusstlos, er zuckte und stöhnte

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