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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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und empfinden.
    Den roten Zorn lernte ich allerdings erst kennen, als die führenden Köpfe der Gemeinschaft mich holten, um die fünf anderen Wissenschaftler zu suchen. Diese hatten sich in das verwandelt, was man mir anschließend vorwarf zu sein: gewissenlose Monster. Sie waren … falsch. Entartet. Ich habe sie allesamt aufgespürt, ohne es zu wollen. Ihre Bösartigkeit hat mich über Meilen entfernt angezogen wie die Motte das Licht, und sobald ich ihnen nah kam, hat der Zorn mich überwältigt. Nachdem der letzte erledigt war, wollte ich nach Hause kriechen, völlig erschöpft und unsicher, ob ich jetzt Selbstmord begehen sollte, um die Welt vor mir zu beschützen. Doch mittlerweile hatte die Gemeinschaft beschlossen, mich fallen zu lassen. Ich wurde von denen verraten, die ich Freunde nannte. Sie habe mich betäubt, zurück zum letzten Opfer geschleift und die Garde gerufen. Mir legte man alle Morde zur Last, auch die, die ich nicht begangen habe. Ohne Verhandlung, ja selbst ohne mich zu befragen wurde ich schuldig gesprochen und in den Kerker geworfen. Es dauerte Tage, bis die Wärter überhaupt den Mut fanden, die Tür zu öffnen und mir etwas zu essen reinzuschieben. Ohne Cyrian wäre ich dort verrottet.“
    „Aber Sie wurden nicht hingerichtet“, murmelte Doktor Lerome nach einer Weile des Schweigens. „Warum hat man Sie nicht exekutiert und damit alle Beweise für das fehlgeschlagene Experiment beseitigt?“
    „Ich weiß es nicht sicher.“ Thars seufzte tief. „Entweder wollten sie mich beobachten können, wenn ich wie eine Ratte im Käfig festsitze – oder sie wollten mich als Rückversicherung behalten, falls wieder etwas schief geht. Die Rezeptur für das Mittel ist nicht vernichtet worden.“

    „Werden Sie jetzt die Stadtgarde informieren?“, fragte eine piepsige Stimme. Doktor Lerome wandte den Kopf. Cyrian war aufgewacht und musste ihnen zugehört haben. Sorge um seinen seltsamen Freund stand in seinen Augen geschrieben.
    „Nein“, antwortete Lerome langsam. „Nein, warum sollte ich? Ich habe hier lediglich einem Verletzten Obdach gewährt, der sich mir als Thars und nicht als das Tier vorgestellt hat. Wenn Sie also die Freundlichkeit hätten und würden gegenüber dem Personal und meiner Frau nicht erwähnen oder demonstrieren, über welche Gabe Sie verfügen …“
    „Ich kann mich zurückhalten.“ Thars sah erleichtert aus.
    „Kein Wort kommt über meine Lippen“, schwor Cyrian ebenfalls sofort. Süß schaute der Junge aus, mit diesen zerwuschelten Locken. Kein Wunder, dass Thars ihn einen Engel nannte. Eine wahre Augenweide ...
    Brudfor, rette mich vor meinen sündigen Gedanken, flehte Lerome stumm.
    „Ich bin Ihnen für Ihr Vertrauen sehr dankbar, Doktor. Es ist eine wahre Wohltat zur Abwechslung auf gute Menschen zu stoßen.“
    Ganz sicher hatte Thars gestörte Wahrnehmungen. Wenn es in seinem Kopf herumstöbern konnte, in seinen Erinnerungen, musste es doch wissen, was für eine verdorbene Person er war.
    Thars musterte ihn mit einem wissenden Lächeln. Las er gerade wieder seine Gedanken?
    „Grübeln Sie nicht zu viel, Doktor“, wurde ihm freundlich geraten.
    „Äh … ja.“ Lerome stemmte sich aus dem Sessel, in dem er über den Schlaf seiner beiden ungewöhnlichen Gäste gewacht hatte, und gab Cyrian einen Wink.
    „Komm mit mir, Cyrian. Marwin wird Thars gleich ein Frühstück bringen und ihm beim Waschen behilflich sein. Wir beide werden das Frühstück zusammen mit meiner Frau einnehmen und dann wird es Zeit, dass wir an die Arbeit gehen.“
    Cyrian sprang sogleich auf, um sich im angrenzenden Badezimmer Gesicht und Hände zu waschen. Als er zurückkehrte, sagte er:
    „Ich habe gestern Abend Erdbeeren gegessen, Thars. Die sind vielleicht lecker. Die Hälfte habe ich für dich aufgehoben. Und schau mal, was für schöne Kleidung Doktor Lerome mir gegeben hat.“ Stolz deutete er auf eine graue Tuchhose, sein blütenweißes, jetzt vom Schlafen leicht verknittertes Hemd und eine dunkelgraue Weste.
    „Ich konnte dich ja nicht in diesen viel zu großen Sachen herumlaufen lassen“, murmelte Lerome verlegen.
    „Genau das meinte ich, Doktor“, erklärte Thars, als er Cyrian bereits zur Tür hinausschob. „Sie sind eben doch ein guter Mensch.“

    Schüchtern saß Cyrian wenig später am Frühstückstisch im eleganten Speiseraum der Grünen Villa. Ihm gegenüber saß Doktor Leromes Ehegattin Melva. Obwohl sie mit ihrem Dutt, zu dem sie ihr braunes, mit grauen

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