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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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nackter Mann aussah, auch wenn er einen langen Moment gebraucht hatte, um Cyrians Veränderungen zu begreifen. Thars hatte es gerade noch geschafft, Melva abzufangen. Die beiden warteten unten in der Halle auf Thars’ Rückkehr.
    „Komm, wir holen dir etwas zum Anziehen. Stians Sachen passen dir nicht und auch meine werden dir etwas zu kurz sein, aber zumindest platzt du nicht mit den Schultern raus und musst auch nicht nackt herumlaufen.“ Thars umarmte ihn, küsste ihn liebevoll. „Deinen Wunsch habe ich nicht vergessen, ich werde ihn erfüllen“, raunte er ihm zu. „Ganz langsam und ganz zärtlich.“
    Cyrian schmolz dahin, mitsamt den letzten Resten seiner Enttäuschung. Thars wusste, dass Cyrian noch niemals zärtlich geliebt worden war. Acht Jahre hatte jeder seinen Körper benutzt, wie es ihm gefiel. Das erste Mal mit Thars war wilde Lustbefriedigung gewesen. Nun wollte er erfahren, wie es war, mit Respekt und Liebe berührt zu werden.
    Rasch schlüpfte er in die Sachen, die Thars ihm brachte. Sie trugen seinen unverwechselbaren Geruch. Cyrian horchte in sich hinein. Seine Sinne waren schärfer geworden, aber nicht annähernd so wie Thars. Darüber war er durchaus froh, ein solch extremer Geruchssinn erschien ihm nicht erstrebenswert. So, wie es gekommen war, fand er es perfekt. Er bereute seine Entscheidung nicht, würde es immer wieder tun. Im Gegensatz zu Thars, der am liebsten die Uhr zurückdrehen und alles ungeschehen machen würde …
    Klar, wenn ich gezwungen wäre, meine ältesten Freunde umzubringen und jeden zu erschlagen, der einen Mord begehen will, würde ich es mir vielleicht auch noch einmal überlegen.
    „Fertig?“
    Thars wirkte angespannt, er wollte schnellstmöglich zu Doktor Lerome. Diskutieren, wie man der Bedrohung begegnen sollte.
    „Fast. Geh schon einmal vor“, sagte Cyrian, dem gerade etwas eingefallen war. Kaum hatte Thars den Raum verlassen, da wandte Cyrian sich zum Safe. Es war erbärmlich einfach gewesen ihn zu knacken – wirklich dumm, sich ein solch raffiniertes System zuzulegen, das vier verschiedene Zahlenschlösser beinhaltete und dann die Zahlenabfolge in einem Notizbuch in der obersten Schreibtischschublade aufzubewahren. Meister Flinkfinger hatte ihm da einen wirklich wertvollen Rat über das Wesen der Menschen mitgegeben, den Cyrian niemals vergessen hatte.
    Als – zugegeben erbärmliche – Gegenleistung für die Spritze mit Evolution 4 hatte Cyrian den Geldbeutel hinterlegt, den Thars für ihn zurückgeholt hatte. Cyrian steckte das Geld wieder ein. Er wollte es nicht behalten, sondern Melva bitten, eine Messe für Stians Seele lesen zu lassen und den Rest an Bedürftige zu geben. Es zwickte ihn zwar, was Stian über seinen Charakter gesagt hatte, aber er war trotzdem ein Ziehvater für Thars gewesen.
    Zufrieden mit sich und der Welt machte Cyrian sich auf den Weg zur Halle. Er hatte noch nicht die Hälfte der Treppe überwunden, als plötzlich die Haustür aufflog. Es war Bantiez, der völlig außer Atem hereinstürzte, direkt in Thars’ Arme.
    „Doktor Lerome!“, stieß er keuchend hervor, „Doktor, Marwin ist entführt worden! Da waren dutzende Männer, die uns alle bedroht haben! Sie müssen kommen, bitte! Und Herr Thars, Sie auch. Und – oh, Sie sind sicher Cyrians Vater – Bruder? Da war ein Brief …“
    Der sonst so ruhige Diener hielt mit zitternden Händen einen Umschlag hoch. Cyrian sprang die letzten Stufen herab und blickte über Thars’ Schulter, als dieser die wenigen Zeilen auf dem schlichten weißen Briefbogen las:

    „Komm allein und er wird überleben.“

    Keine Anrede, keine Unterschrift, kein Wappen oder Siegel.
    Doch Thars’ Mimik ließ keinen Zweifel, dass er die Schrift und sicherlich auch die Witterung des Verfassers erkannt hatte.
    „Crimson!“, grollte er.
    Es klang wie eine tödliche Prophezeiung.

„Es ist eine Falle.“ Die Stimme seines Engels mahnte an die Vernunft.
    „Das weiß ich selbst.“ Zum fünften Mal marschierte Thars quer durch die Halle, schlug mit der Faust ein tiefes Loch in die Wand und stampfte zurück zur Treppe. Es beruhigte ihn nicht, half allerdings, seiner Hilflosigkeit Ausdruck zu verleihen.
    Ihm war bewusst, dass er sich für einen Mann ausliefern sollte, der ihm nichts bedeutete. Marwin hatte geholfen, ihn zu pflegen, aber das war die Arbeit, für die er bezahlt wurde, sonst nichts. Dieser Mann war ein Mörder, der nur deshalb nicht von dem Tier in Thars erschlagen wurde, weil er bereute

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