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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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und nicht wirklich vorgehabt hatte, seine Tat zu wiederholen. Nicht einmal, um Cyrian zu beschützen. Das war der Hauptgrund, warum das Tier so lange gezögert hatte. Gut und Böse hielten sich bei Marwin die Waage, derart ausgeglichen, dass es ihn fasziniert hatte. Für diesen schwachen Mann würde Thars sein Leben nicht riskieren und noch viel weniger Cyrians. Seinen Engel abhalten zu wollen, ihm zu folgen, dürfte ein Wunschtraum bleiben. Doch Doktor Lerome hatte sich in Marwin verliebt. Thars wollte ihn nicht unglücklich sehen. Außerdem würde es Crimson nicht aufhalten, sollte Thars Marwins Tod zulassen. Beim nächsten Mal wäre es Doktor Lerome selbst, oder Melva.
    Verdammt, warum hatte er nicht nachgeforscht, wo sich die restlichen Valorsaner aufhielten? Ein riesiges Stück Mörtel krachte zu Boden, als Thars zum sechsten Mal gegen die Wand schlug. Er sollte aufpassen, bevor er das ganze Haus abriss. Der Doktor, Melva und Bantiez kauerten ängstlich in einer Ecke, wo sie ihn mit weit aufgerissenen Augen beobachteten, während Cyrian auf der drittletzten Treppenstufe stand, scheinbar lässig an das Geländer gelehnt. Sein Engel beobachtete ihn lauernd. Seine Witterung verriet Thars, dass Cyrian bereit war, sich schützend vor Melva zu werfen, sollte Thars in unkontrollierbarer Wut etwas tun, was sie gefährdete. Außerdem wartete Cyrian auf den Moment, wo er ihm klar machen musste, dass er auf gar keinen Fall zurückbleiben würde.
    Ich gehe das alles falsch an, dachte Thars und atmete tief durch. Mein süßer Unschuldsengel ist kein hilfloser Junge mehr, den ich beschützen muss. Cyrian ist stark.
    Außerdem hatte er zwanzig Jahre in miesen Vierteln überlebt, besaß einiges Geschick als Dieb und Einbrecher und bei Brudfors endloser Gnade, irgendwie konnte man vielleicht sein neu entdecktes Lesetalent nutzen. Genauso wie Thars’ eigene Gaben.
    Egal wie sehr ich es hasse, was ich geworden bin, ich darf mich nicht länger dagegen wehren. Meine Sinnesschärfe ist eine Waffe!
    Er wollte sich nicht wie ein Tier jagen lassen. Er war ein Mensch. Ein verbesserter Mensch. Also musste er den Spieß herumdrehen und Crimson jagen.
    „Cyrian, wir werden einen kleinen Spaziergang machen. Es gibt einen Ort, an dem zahlreiche Notizen über Crimson und alle anderen Valorsaner aufbewahrt werden. Mein Vater war in dieser Sache äußerst akribisch und gewissenhaft, er wollte stets sicher sein, ob er den Leuten vertrauen konnte, mit denen er zusammenarbeitete.“
    Er nickte Doktor Lerome zu. „Gehen Sie. Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen Marwin zurückzubringen und diese Gefahr endgültig zu beseitigen. Vielleicht sollten Sie mit Melva bei Freunden oder Verwandten unterschlüpfen, falls das möglich ist.“
    „Danke. Ich danke Ihnen von Herzen.“ Melva legte ihre winzige, zarte Hand auf seine Pranke und zupfte mit der anderen energisch an seinem Hemdsärmel, bis er sich zu ihr herunterbeugte, damit sie ihm auf die Wange küssen konnte. Sie fürchtete das Tier nicht, das er geworden war. Doktor Lerome legte all sein Vertrauen in ihn. Selbst der arme Bantiez, der nicht einmal wusste, was hier geschah, glaubte fest daran, dass Thars dafür sorgen konnte, dass alles wieder gut wurde. Niemals zuvor hatte jemand an ihn und seine Fähigkeiten geglaubt.
    Thars schluckte die Tränen herunter. Er war aufgewühlt, eine Schwäche, die warten musste, bis die Sache ausgestanden war.
    „Komm, mein Engel. Es ist an der Zeit für mich, nach Hause zu gehen.“
    Die Jagd hat begonnen!

    Neugierig schaute sich Cyrian in dem Haus seines Liebsten um, nachdem Thars die Gaslampen eingeschaltet hatte, denn draußen brach die Nacht herein. Die geschmackvolle Einrichtung in dem großzügigen Haus gefiel ihm. Schlichte Eleganz bestimmte das Gesamtbild. Pastellene Farbtöne herrschten vor und ließen die Räume hell und freundlich erscheinen.
    Thars, der auf dem ganzen Weg ziemlich still gewesen war, ging zu seiner Überraschung schnurstracks in die Küche, schob dort einen Vitrinenschrank beiseite und löste ein Wandpaneel. Mit einer Hand griff er in das entstandene Loch und zog zwei ledergebundene Notizbücher hervor.
    „Das sind die Aufzeichnungen meines Vaters“, erklärte er Cyrian. „In dem schwarzen Buch hat er alle Informationen über die Valorsaner gesammelt. Ihre Berufe, eine Zusammenfassung ihrer wissenschaftlichen Forschungsarbeit, ihr Vermögen und eigene Anmerkungen über seine Arbeit mit ihnen. Er war immer sehr misstrauisch

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