Das Tier
ab.“ Raues Gelächter erklang. Thars sackte weiter zusammen und drehte mit letzter Kraft seinen Kopf. Cyrian …
„Leg dich auf den Bauch, du Straßenratte“, drang es durch das Rauschen. Sein Engel gehorchte und nahm auf dem nächsten Befehl hin auch die Hände auf den Rücken.
„Nein“, hauchte Thars an der Schwelle zur Dunkelheit. Weitere Handlanger tauchten auf, die seinen Engel in Ketten legten.
„Nein, Cy…“
Die Schleier verdichteten sich und sanken unaufhaltsam auf ihn herab.
Vor Schreck wie erstarrt kauerte Marwin oben an der Kellertreppe. Seine Entführer hatten lautstark über ihren Erfolg gejubelt. Ihn schienen sie völlig vergessen zu haben. Darüber war er nicht böse. Als er sich nähernde Schritte und Stimmen hörte, rappelte er sich ungelenk auf und taumelte weiterhin gefesselt und geknebelt aus dem Haus. In dem Vorgarten verbarg er sich hinter einem Lorbeerstrauch. Einige Männer schleppten den seltsamen jungen Mann, der große Ähnlichkeit mit Cyrian hatte, mit sich fort. Marwin konnte erkennen, dass der Blonde ebenfalls gebunden war. Tränen liefen über sein Gesicht, denn eines wusste er mit Sicherheit: Es war kein glückliches Schicksal, das seine beiden Retter erwartete.
Wo bin ich?, dachte Cyrian. Er hatte Schmerzen, stellte er verwirrt fest. Alle Knochen und Muskeln schienen in Flammen zu stehen. Nicht wie in den grauenhaften Wochen, die er gerade erst überlebt hatte. Eher so als ob …
Ruckartig riss Cyrian die Augen auf. Er lag nackt und brutal gefesselt auf einem Tisch, alle Gliedmaßen derart fest verschnürt, dass es ihm das Blut abdrückte und die Gelenke überstreckt wurden. Nicht einmal den Kopf konnte er bewegen. Sein Blickfeld reichte aus, um die hellen Kacheln zu erkennen, mit denen der kleine Raum gefliest war. Das Licht, das seltsam grell war und ihn blendete. Die Instrumente, die fein säuberlich auf einem Tablett lagen. Er kannte sie alle. Doktor Lerome benutzte sie bei seinen Operationen.
„Thars?“
Noch während er versuchte, den Namen seines Liebsten über die spröden Lippen zu bringen, überfiel ihn die Erinnerung an das, was geschehen war. Wie man ihm einen stinkenden Lappen vor die Nase gehalten hatte, bis er das Bewusstsein verlor. An den furchtbaren Knall, an den sich rasant ausbreitenden Blutfleck auf Thars’ Brust, daran, wie sein Liebster langsam zusammengebrochen war …
Brudfor, lass ihn lebendig sein. Hörst du? Ich wollte Melva das Geld geben, damit sie für Stian eine Messe gibt und die Armen beschenkt. Es ist nicht meine Schuld, dass die Valorsaner mich verschleppt haben. Diese Schweine haben mir das Geld weggenommen. Wenn ich also etwas Gutes in deinem heiligen Namen tun soll, dann musst du zulassen, dass ich hier lebendig rauskomme. Mit dem Geld. Falls Thars noch lebt und auch fliehen kann, dann gebe ich bis zum letzten Silberling alles, was ich besitze, für die Armen ab. Thars ist reich, wusstest du das? Er würde sicherlich auch einiges dazulegen. Nun, Brudfor, haben wir das geklärt? Wir kommen frei – du sahnst ab. Wir gehen drauf – du kriegst nichts. Es ist für uns alle besser, wenn du dich ein bisschen ins Zeug legst, Brudfor. Letztlich war ich etwas enttäuscht von dir, muss ich zugeben. Das kannst du besser, gibt dir gefälligst Mühe!
„Ah, mein Gast ist aufgewacht. Einen wunderbaren guten Morgen wünsche ich dir.“
Diese Stimme kannte er nicht. Die Gier, die darin mitschwang, kannte er leider viel zu gut. Cyrian seufzte innerlich. Nun war er groß und stark wie ein Bär und trotzdem wehrlos dem Willen anderer Männer ausgeliefert.
Ich werde mir das Brandmal rausschneiden. Solange ich es trage, werde ich ewig eine Hure bleiben!
„Was haben wir denn da … Dein Name ist Cyrian am Niederweiler, richtig?“
Woher kannte diese Pestbeule seinen Steuernamen? Er hatte ihn niemandem verraten, nicht einmal Thars. In Hockenbruck gab es keine wohlklingenden Familiennamen wie in den meisten anderen Städten, sondern lediglich Bezeichnungen für das Einwohnerregister und das Königlich-Kaiserliche Steuerministerium. Sie leiteten sich von den Straßen ab, in denen man zum Zeitpunkt der Geburt lebte. Diese Namen wurde man nicht mehr los, nicht einmal durch Heirat oder indem man sich zu Reichtum hocharbeitete. Lediglich der Hochadel war von dem Schicksal ausgenommen, dass etwa eine eingeheiratete Baroness als Margata Fliederbusch betitelt werden musste.
Wer es sich irgendwie leisten konnte – wie zum Beispiel Doktor Lerome –
Weitere Kostenlose Bücher