Das Titanic-Attentat
Auftrag der amerikanischen noch der britischen Untersuchung. Wegen des Untergangs der
Titanic
und des Todes von etwa 1500 Menschen gab es daher im rechtlichen Sinne weder einen Schuld- noch einen Freispruch, ganz einfach weil kein Mensch jemals angeklagt wurde.
Die Zeugen (»menschliche Beweise«)
Den Zeugen gegenüber entfielen demnach wichtige strafrechtliche Ermittlungsinstrumentarien: Zum Beispiel konnten weder Hausdurchsuchungen durchgeführt noch Untersuchungshaft verhängt werden. Auch aus diesem Grund handelte es sich bei den beiden Untersuchungskommissionen von vorneherein um Papiertiger, und daher fehlte es den beiden Kommissionen auch an den Mitteln, sich Respekt zu verschaffen und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Wenn Verdächtige oder Beschuldigte schon bei Gerichtsverhandlungen mauern und lügen, kann man sich vorstellen, was sie erst bei Untersuchungen tun, denen die Mittel einer ernstzunehmenden Strafverfolgung fehlen. Und liest man die Protokolle durch, ist der mangelnde Respekt dann auch überall mit Händen zu greifen.
Die überlebende Besatzung der
Titanic
erwies sich als äußerst zugeknöpft und wortkarg, oft auch widersprüchlich und frech. Das lag unter anderem daran, dass die Untersuchungen für alle Beteiligten ersichtlich nur ein zur Beruhigung der Öffentlichkeit abgehaltenes Schauspiel waren. Die häufigsten Antworten der Befragten bestanden daher in einem kurzen »Ja«, »Nein« oder »Weiß nicht«, »Kann mich nicht erinnern« oder »Das kann ich nicht sagen«. Ganz offensichtlich lautete die Devise der Besatzungsmitglieder, nur das Allernötigste zu antworten und kein Wort mehr – egal, wer auch immer die Fragen stellte. Ein Schiff im Wert von 1,5 Millionen Pfund war samt Ladung gesunken, wobei 1500 Menschen ums Leben kamen. Hinter jeder Aussage eines Besatzungsmitgliedes stand daher das oberste Gebot, weder sich noch etwa die Schiffsführung oder die Schifffahrtsgesellschaft zu belasten.
Ein Beispiel ist der Heizer Frederick Barrett, der gesehen haben wollte, wo das Wasser nach der angeblichen Kollision mit dem Eisberg in das Schiff eindrang. Bei der britischen Untersuchung wurde er unter anderem von dem Generalstaatsanwalt der Krone, Sir John Simon, befragt:
Simon, Generalstaatsanwalt: Hierfür nehmen wir uns Zeit, weil das wichtig ist. Lassen Sie uns das noch mal hören: Sie sagten etwas über das Wasser, das hereinkam?
Barrett: Ja.
Simon: Hat es sich über Sie ergossen?
Barrett: Ja.
Simon: Kam es in diese Sektion Nr. 6, Heizraum Nr. 10? [siehe Skizze 1 im Kapitel »Eine eingebaute Katastrophe?«]
Barrett: Ja.
Simon: Sie haben auch etwas über einen Riss in der Schiffswand gesagt?
Barrett: Ja.
Lord Mersey, britischer Havariekommissar: Bevor Sie das Thema wechseln, können Sie mir sagen, von wo das Wasser kam?
Simon: Das wollte ich auch gerade fragen, Mylord – wo kam das Wasser her?
Barrett: Nun, ich nehme an, aus dem Meer. [10]
Übersetzt hieß das: »Was geht’s dich an? Kümmer dich um deinen eigenen Kram.« Man wird mir wohl zustimmen, wenn ich feststelle, dass diese bei mehr oder weniger allen Besatzungsmitgliedern zu beobachtende Haltung nicht gerade vertrauenserweckend ist. In einer Gerichtsverhandlung würde man einem solchen Zeugen wohl gar nichts glauben. Und auch bei den
Titanic
-Untersuchungen kann man das nicht. Ganz offensichtlich hätte es hier eines hart durchgreifenden Anklägers bedurft. Den aber gab es nicht. Auch der anwesende Generalstaatsanwalt Simon spielte diese Rolle nicht.
Die Beeinflussung der Zeugen
Offenbar hatte die Reederei White Star Line auch direkten Einfluss auf die Überlebenden genommen. Das begann schon in den Rettungsbooten. Eine Passagierin namens Antoinette Flegenheim wollte sich laut des
New York Herald
vom 19. April 1912 beispielsweise nicht äußern, weil bereits im Rettungsboot (Nr. 7) ein Zettel herumgegangen sei, auf dem die Insassen aufgefordert wurden, nichts über das Desaster zu sagen. [11] Wenn das stimmt, dann haben natürlich auch andere überlebende Passagiere diesen oder ähnliche Zettel bekommen.
Nach der Ankunft mit dem Rettungsschiff
Carpathia
am Abend des 18. April 1912 in New York waren die überlebenden Besatzungsmitglieder der
Titanic
von der White Star Line ins Gebet genommen und auf die Linie der Firma eingeschworen worden. Nach einem Bericht der australischen Zeitung
Northern Star
vom 31. Juli 1996 wurde die Besatzung nach ihrer Ankunft an Land von zwei Männern in die Mangel
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