Das Titanic-Attentat
sowohl im Eisenbahn- als auch im Dampfschiffgeschäft tätig und daher gewissermaßen ein Kollege des Großbankiers, Unternehmers und
Titanic
-Eigentümers J. P. Morgan – wenn auch in kleinerem Maßstab, da Smith’ Dampfschiffe zwischen Chicago und dem Lake Michigan verkehrten.
Viele Quellen behaupten, Smith habe sich J. P. Morgan durch seine Antikartellgesetzgebung zum Feind gemacht. Auf der anderen Seite wurde Smith, wie die ganze republikanische Partei auch, finanziell von Morgan unterstützt. [7] 1904 hatte Morgan auch Geld für den Wahlkampf des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Theodore Roosevelt gespendet, mit dessen Vater Morgan das American Museum of Natural History gegründet hatte.
Das Ganze muss man sich etwa so vorstellen, als würde heute ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, dessen Vorsitzender samt seiner Partei von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gesponsert wird, einen verdächtigen Vorfall bei der Deutschen Bank untersuchen wollen. Was würde dabei wohl herauskommen?
Smith’
Titanic
-Untersuchung lässt denn auch keine besondere Strenge gegenüber Morgan und der Schiffsbesatzung der
Titanic
erkennen. Ganz im Gegenteil ging die Untersuchung äußerst schonend mit »Gottvater Morgan« um – auf die schonendste Weise, die man sich überhaupt vorstellen kann, nämlich, indem J. P. Morgan komplett außen vor gelassen wurde. Der
Titanic
-Eigentümer und Schiffsstratege J. P. Morgan wurde erst gar nicht vorgeladen, obwohl die Hintergründe der
Titanic
-Katastrophe eindeutig in einem Wirtschafts- und Schifffahrtskrieg zwischen den USA und Großbritannien zu suchen waren (siehe unten). Nach Meinung Gardiners wurde Morgans Rolle bei dem Schiffsuntergang regelrecht »vertuscht«. [8] Wenn überhaupt, wurde Morgan während der Untersuchungen nur selten und beiläufig erwähnt.
Auch weigerte sich Smith’ Ausschuss standhaft, zu wesentlichen Punkten vorzustoßen. Von Seefahrt schien er nicht die geringste Ahnung zu haben. Teilweise erschienen Smith’ Fragen unbeholfen und dilettantisch; stundenlang hielt man sich mit nebensächlichen Details auf. Kurz und gut: Die amerikanische Untersuchung ging meistens an den wesentlichen Punkten vorbei.
Wie schon angedeutet, hatte auch die britische Untersuchung kein großes Interesse an der Aufdeckung unbequemer Wahrheiten, war doch das veranstaltende Board of Trade selbst für einige der Gesetze verantwortlich, die möglicherweise Hunderten von Menschen das Leben gekostet hatten – zum Beispiel die zu geringe Zahl an Rettungsbooten auf der
Titanic
. Auch hier wurde Morgan nicht vorgeladen.
Der britische Havariekommissar und Untersuchungsführer Lord Mersey fiel später auch durch seine politisch genehme Untersuchung des Untergangs der
Lusitania
(1915) auf, für den er allein die Deutschen und ihr U-Boot verantwortlich machte, das einen Torpedo auf die
Lusitania
abgeschossen hatte. Die Wahrheit war jedoch, dass die
Lusitania
erstens nicht – wie behauptet – ein ausschließlich ziviles Schiff war und dass es nach dem Torpedotreffer zweitens eine schwere sekundäre Explosion an Bord gegeben hatte, über die sich selbst der deutsche U-Boot-Kapitän gewundert hatte. [9]
Keine strafrechtliche Aufarbeitung
Während die insgesamt über drei Monate andauernden Untersuchungen und über 2000 Seiten starken Protokolle den Eindruck einer sorgfältigen Aufarbeitung erweckten, ist also genau das Gegenteil richtig. Die wichtigste Form der Aufarbeitung nach der zumindest verdächtigen Tötung von 1500 Menschen fand wie bereits angedeutet gar nicht statt: und zwar eine strafrechtliche Untersuchung vor einem Gericht, zum Beispiel einem Seegericht.
Tatsächlich wurde wegen des Untergangs der
Titanic
kein Mensch angeklagt – nicht ein einziger. Passiert heute irgendwo ein Schiffsunfall, eine Seilbahnkatastrophe oder ein Flugzeugunglück, ermittelt die Staatsanwaltschaft routinemäßig. Und das ist nicht etwa eine neue oder deutsche Erfindung, sondern liegt bei Katastrophen auf der Hand, bei denen offensichtlich jemand etwas falsch gemacht hat und damit Verantwortung für diese Katastrophe trägt.
Dass im Fall der
Titanic
jegliche strafrechtliche Ermittlungen unterblieben, sagt bereits alles, nämlich, dass niemand daran interessiert war, die wirklichen Verantwortlichen dingfest zu machen. Obwohl Figuren der Strafrechtspflege beteiligt waren, wie etwa der Generalstaatsanwalt der Krone, war eine kriminalistische Untersuchung weder der
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