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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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zu bewundern. »Trotz der saftigen Anzahlung, die Hershey für die Passage mit dem todgeweihten Schiff gezahlt hatte, setzte er nie einen Fuß auf die
Titanic.
« [72] Warum er und seine Frau das nicht taten, ist allerdings unklar. Mal werden dringende Geschäfte angeführt, wegen deren Hershey die drei Tage früher nach New York fahrende
Amerika
für die Passage wählte. [73] Mal werden ganz andere Behauptungen aufgestellt, wie beispielsweise in der deutschen Wikipedia zu lesen: Die Reise kam demnach nicht »zustande, da Hersheys Frau zu diesem Zeitpunkt an einer Krankheit litt«. Zu krank, um drei Tage früher an Bord der
Amerika
zu reisen, war Frau Hershey jedoch offenbar nicht.
    Tatsächlich gibt es auch noch eine dritte Möglichkeit. Denn genau wie J. P. Morgan war der Schokoladenfabrikant Hershey kurz zuvor von einer Reise nach Ägypten zurückgekehrt. Da die Zahl der Touristen in Ägypten damals überschaubar war, ist es gut möglich, dass man sich dort über den Weg gelaufen war und ein paar Worte über die Heimfahrt auf der
Titanic
gewechselt hatte. Wenn man sich traf, dann ist es sogar äußerst wahrscheinlich, denn ein Small Talk über die Heimreise gehört nun mal zum Standardgesprächsthema von Landsleuten im Ausland.
    Tatsächlich gab es damals ein Ereignis in Ägypten, das die amerikanischen Touristen anzog wie das Licht die Motten. Und zwar die Welturaufführung einer Oper an den Pyramiden. Am 4.3.1912 wurde neben den weltbekannten Baudenkmälern die Oper
Aida
gegeben – ein Pflichttermin, der den damaligen Ägyptenreisenden mit Sicherheit nicht entgangen war. Bereits bei diesem Anlass gaben sich Hunderte Amerikaner ein Stelldichein.
    Auch John Jacob Astor, J. P. Morgan und George W. Vanderbilts Nichte waren da, wobei Astor allerdings nicht von der Reise mit der
Titanic
Abstand nahm. Oder kam er da erst auf die Idee, mit der
Titanic
zu fahren? Denn laut einem Zeitungsbericht in
The Washington Herald
vom 21.2.1912 wurde er eigentlich erst Ende Mai in New York zurückerwartet.
     
    Die Morgans und die Vanderbilts wiederum saßen zusammen in Morgans piekfeinem Jekyll-Island-Ferienclub [74] ebenso wie im New York Yachtclub. In diesem Jachtclub musste man die eigene große Segel- oder gar Dampfjacht schon mitbringen, und zwar möglichst im Plural. Laut dem Buch
Americas 60 Families
von Ferdinand Lundberg brachten es allein die Vanderbilts auf nicht weniger als zehn Jachten, die Jachten für den
America’s Cup
nicht eingeschlossen. Denn freilich gehörte es zu den Pflichten der segelnden Elite, Amerikas Ehre bei der berühmtesten Regatta der Welt zu verteidigen.
    Die Reichen und die Superreichen von Amerika waren aber nicht nur sportlich und geschäftlich, sondern auch familiär verbandelt. Genau genommen gab es im Amerika jener Tage mindestens vier Arten von Familien: die biologischen oder genealogischen, die geschäftlichen, also die Unternehmen, die sportlichen, also die Sportclubs, und natürlich die Clubs. Und all diese »Familien« waren untereinander verschränkt und verzahnt, entweder durch Verwandtschaft oder durch Geschäftsbeziehungen, Partnerschaften und Beschäftigungsverhältnisse. Meistens aber durch beides.
    Mrs. Rachel Littleton Vanderbilt zum Beispiel, geschiedene Frau von Cornelius Vanderbilt junior, war mit einem Neffen von J. P. Morgan, Jasper Morgan, verheiratet. Auch
Titanic
-Kapitän Edward J. Smith gehörte zu dieser Welt. Die High Society, die er über die Weltmeere schipperte, hatte ihn längst in ihre Kreise aufgenommen. Wenn er in den USA war, besuchte er seinen »guten Freund« J. P. Morgan und lebte »ein lebendiges Sozialleben an Land«, schreibt sein Biograph Gary Cooper. [75]
    Er besuchte zahlreiche Feten und Partys, »und gemäß einem Zeitungsbericht war er auch ein regelmäßiger Gast in den vielen New Yorker Clubs und Gesellschaften. Er pflegte freundschaftliche Beziehungen zu vielen Schauspielern im New York Lambs Club.« »Kapitän Ted Smith, der verschollene Commodore der White-Star-Flotte, war ein sehr populärer Mann in New Yorks Clubszene«, zitiert Cooper die
Oakland Tribune
vom 20.4.1912.
    Mit anderen Worten, es trafen sich an Bord der
Titanic
keine Unbekannten; vielmehr waren es immer dieselben, nämlich jene, die sich auch schon aus der US -High-Society kannten.
    Allerdings trennten sich diese Familien anlässlich der Jungfernfahrt der
Titanic
in zwei Gruppen: in eine exklusive, die an Bord blieb und unterging, und eine noch exklusivere, die die

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