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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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Reise kurzfristig absagte. Genau genommen richtete der Untergang der
Titanic
unter der US -High-Society eine Art Pogrom an, dem wichtige Teile der (Finanz-) Elite zum Opfer fielen.

Die Heizer gehen von Bord
    Interessanterweise befiel die plötzliche Reiseunlust aber nicht nur Erste-Klasse-Passagiere, sondern auch Menschen, die eigentlich auf die Reise mit der
Titanic
angewiesen waren, weil sie damit ihren Lebensunterhalt bestritten. Eine Liste der angeheuerten Crewmitglieder, die bei der Abfahrt entweder nicht auftauchten oder »desertierten« (wie der Heizer John Coffey, siehe unten) trägt 24 Namen – bei etwa 900 Crewmitgliedern nicht besonders viel.
    Diese Liste sagt jedoch noch nicht viel aus. Denn das sind nur die, die im letzten Moment wegblieben. Obwohl um dieselbe Zeit viele Schiffe wegen eines Kohlestreiks im Hafen lagen und demzufolge zahlreiche Seeleute nach Arbeit suchten, hatte bis auf eine Ausnahme zuvor schon die komplette Heizer-Crew die
Titanic
in Southampton verlassen: »Die White Star Line musste eine komplett neue Heizermannschaft für die Jungfernfahrt der
Titanic
anheuern«. [76]
    Einfach so auf einen Job zu verzichten war in jenen Tagen fehlender oder schlecht ausgebildeter Sozialsysteme ungewöhnlich. Zumal dann, wenn es für die Heizer wegen mangelnden (Kohle-)Treibstoffs für die Schiffe schwierig war, irgendwo anders anzuheuern. Noch ungewöhnlicher war es, dass praktisch die komplette Mannschaft einer ganzen Schiffsabteilung mitten in der Reise in einem Hafen von Bord ging. Denn natürlich konnte man die Reise der
Titanic
von Belfast über Southampton, Queenstown und Cherbourg nach New York als eine zusammenhängende Reise sehen. Und normalerweise sollte man meinen, dass die Mannschaft sich das Entgelt für die gesamte Reise nicht entgehen lassen würde.
     
    »Der Streik hatte schwere Not über die Leute gebracht, und so mussten sie das Handgeld annehmen«, schreibt Bernhard Waag in seinem 1912 erschienenen Buch
(Der Untergang der Titanic)
. »Aber viele von ihnen haben vorgezogen, weiter zu hungern. Sie wollten nicht an Bord dieses Schiffes, fragt man, warum, so erhält man als Antwort nur ein Achselzucken. Einer der Heizer ging zweimal an Bord des Unglücksschiffes und kehrte immer wieder heim; er wollte nicht mit, er hatte Angst vor dem Schiff. Aber Frau und Kinder hungerten, und so ging er schließlich zum dritten Mal hin und blieb. Er kehrte nie wieder heim und Frau und Kinder werden nun doppelt hungern«. [77]
     
    Ein anderer Heizer, ein gewisser John Coffey, nutzte die allerletzte Gelegenheit, um vor der Atlantiküberquerung von Bord zu kommen. [78] Und das war gar nicht so einfach, denn die
Titanic
befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in einem Hafen, sondern lag zwei Meilen vor Queenstown, Irland, der letzten Station vor der Atlantikreise. Um das Schiff zu verlassen, musste sich Coffey an Bord eines der Tender schmuggeln, die Post und Passagiere zwischen dem Riesenschiff und dem Festland hin- und hertransportierten. Berichten zufolge versteckte sich Coffey zwischen den Postsäcken und schaffte es so, seinem Schicksal zu entgehen.
    Hatte auch er von irgendwelchen dubiosen Bedingungen an Bord der
Titanic
Wind bekommen? Verschiedenen Quellen zufolge hatte Coffey Bedenken oder böse »Vorahnungen«, zur See zu fahren, speziell an Bord der
Titanic
.
    Oder war alles viel harmloser? Coffey stammte aus Queenstown. Dort habe er seine Mutter besuchen wollen, erzählte später ein überlebender
Titanic
-Heizer namens Jack Podesta. Coffey habe zu ihm gesagt: »›Jack, ich nehme diesen Tender, um meine Mutter zu besuchen.‹ Er fragte, ob irgendjemand zusehe, ich sagte nein und wünschte ihm viel Glück. Nach ein paar Sekunden war er weg.« [79]
    Aber sollte es ein Besuch bei der Mutter wirklich wert sein, den lebensnotwendigen Job hinzuwerfen? Wobei auch nicht geklärt ist, ob Coffey aufgrund der Desertion überhaupt seinen Lohn für die kurze Reise erhielt.
    Warum Coffey von Bord ging, wurde letztlich nie geklärt, denn weder in der amerikanischen noch in der britischen Untersuchung wurde sein Name auch nur ein einziges Mal erwähnt. Von einer Vorladung ganz zu schweigen.
    Wollte er wirklich auf diese Weise seine Mutter besuchen und dabei auf Brot und Lohn verzichten? Oder schob er das gegenüber dem anderen Heizer nur vor, um keine Massenflucht auszulösen? Denn sicherlich war es einfacher, alleine und unauffällig von Bord zu verschwinden, als im Rahmen einer allgemeinen Unruhe

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